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Das hat seine Richtigkeit: Als er sein Heimatbundesland 1868 verließ, um sich in Wien niederzulassen, war Bruckner bereits knapp 44 Jahre alt, in Wien hat er knapp 28 Jahre gelebt – und war immer wieder zu Besuchen oder in den Sommermonaten in Oberösterreich. Heute liegt – wie jeder weiß – in der St. Florianer Krypta das, was an Bruckner sterblich war.
In der neuen, von Alfred Weidinger und Klaus Petermayr herausgegebenen Biografie beginnen die Wiener Jahre Bruckners erst auf Seite 212 von 293 Textseiten (ohne Anhang).
Doch damit nicht genug: Das als Gemeinschaftswerk von zehn Autorinnen und Autoren entstandene Buch bietet zahlreiche Exkurse, von denen sich nicht wenige mit oberösterreichischen Themen befassen, unter anderem Bruckners Geburtshaus, seine Sprache, sein Volksmusikverständnis, „sein“ Steyr ... Ein besonderes Verdienst des Buchs ist der Exkurs über Bruckners komponierenden Cousin Johann Baptist Weiß in Hörsching.
Trotz der vielen Autorinnen und Autoren und Exkurse ist das Buch kompakt und flüssig lesbar. Aufgrund der Brucknerspezialisten in der Autorenschar ist es selbstverständlich, dass das Werk in der neuen Tradition der Bruckner-Forschung steht: Die berüchtigten „Geschichterln“ über den Ansfeldner Künstler werden sauber auf Schlüssigkeit abgeklopft. Die Darstellung der Persönlichkeit ist nüchtern und macht auch klar, dass die vorhandenen Quellen Grenzen haben und nicht alle Bruckner-Schrullen etwas hergeben.
Viel ist zum Beispiel an Bruckners absonderlicher Kleidung herumgeritten worden, weil man Zeitgenossen aus den höheren Wiener Schichten zitierte. Man kann Bruckners Kleidung aber auch als bequem, praktisch und nicht an gängigen Moden orientiert beschreiben.
Das gelungene Buch stellt den Menschen Bruckner ins Zentrum, es ist keine musikwissenschaftliche Abhandlung, auch wenn es einen Exkurs über seine Arbeitsweise enthält.
Eine Anmerkung sei erlaubt: Man weiß, dass Bruckner mitunter „gruftige“ Interessen hatte. Dennoch ist es eigenartig, die Fotos im Band mit einer Aufnahme nach der Öffnung von Bruckners Sarkophag 1961 zu beschließen, auch wenn man wenig vom Leichnam sieht. Da jedoch auch die Kirche Leichname von Heiligen herzeigt, sitzt der Rezensent wohl im Glashaus und wird daher nicht den ersten Stein werfen.
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