Weihnachten bedeutet nicht erst seit gestern Hochsaison für die Post. Trotzdem beklagen viele Zusteller/innen, dass die Paketflut seit Jahren steigt und dringend Personal benötigt wird, auch abgesehen von Weihnachten.
„Es war letztes Jahr schon so viel, wir hätten nicht gedacht, dass das noch zu toppen ist“, sagt Nicole Stuber (Name geändert), die in der Vorverteilung einer Post-Zustellbasis in Oberösterreich arbeitet.
Bis zum vorigen Jahr sei sie noch als Zustellerin eingesprungen, doch den Stress würde sie jetzt nicht mehr aushalten: „Oft muss man zwei- oder dreimal fahren, weil man nicht alle Pakete auf einmal ins Auto bringt. Häufig hat man nicht einmal Zeit, um auf die Toilette zu gehen oder einen Schluck zu trinken.“
Viele Fahrer/innen seien schon um halb sechs Uhr Früh bei der Zustellbasis und teilweise bis sechs oder halb sieben am Abend unterwegs, häufig auch an Sonn- und Feiertagen, denn „wenn wir die Pakete nicht gleich zustellen, wartet am nächsten Tag ein noch größerer Berg“.
Fehlendes Personal und Krankenstände täten ihr Übriges, oft muss ein/e Zusteller/in mehr als den üblichen Rayon besorgen.
Viele Kolleg/innen berichteten von gesundheitlichen und psychischen Problemen, könnten etwa kaum noch schlafen, sagt Stuber.
Auch Markus Thaler (Name geändert) gehört zu den Betroffenen. Er ist seit 40 Jahren bei der Post und berichtet neben der Paketflut – pro Zusteller/in seien es derzeit täglich um die 100 Pakete, 60–70 Prozent davon von Amazon – von einem enormen Druck seitens der Vorgesetzten, Überstunden zu machen.
Teilweise habe Thaler Angst gehabt, vom Stress einen Herzinfarkt zu bekommen: „Ich hatte immer so ein Stechen in der Brust, deshalb ging ich zum Arzt.“ Mittlerweile sei er über den Berg und es gehe ihm gut.
Er offenbart, vor Jahren über einen Jobwechsel nachgedacht zu haben und „aus dem System auszusteigen, weil so vieles schiefläuft“. Über die Probleme habe er auch mit der Gewerkschaft gesprochen, doch diese beteuerte, machtlos zu sein.
„Die Weihnachtszeit bedeutet seit jeher Hochsaison für die Post, das kann man nicht mit dem Tagesgeschäft während des Jahres vergleichen. Dafür stellen wir auch mehr Kapazitäten, mehr Fahrzeuge und mehr Personal bereit“, sagt ein Sprecher der Post.
Für Sonn- und Feiertage sowie Nachtdienste gebe es Zuschläge, ebenso für freiwillige Arbeitseinsätze.
„Für jedes erfolgreich zugestellte Paket gibt es eine weitere Prämie, die wir für den Dezember nochmal erhöht haben“, ergänzt der Sprecher.
Alleine für die Hochsaison zu Weihnachten seien in Oberösterreich mehr als 100 zusätzliche Mitarbeiter/innen in der Zustellung im Einsatz.
Ein Problem sei nicht selten das Gewicht der Pakete. „Manchmal sind die so schwer, dass sogar die Männer beim Aufheben stöhnen“, sagt Nicole Stuber. „Letztens ist ein Paket gerissen, drinnen waren 25 Kilogramm Sonnenblumenkerne.“
Sie kritisiert, dass viel online bestellt werde, was man auch so bekäme: Katzen- oder Hundefutter, Blumenerde samt Pflanzen oder Dinge wie die oben genannten Sonnenblumenkerne.
Stuber sagt außerdem, dass viele Pakete am höchtzulässigen Gesamtgewicht „vorbeigeschifft“ würden, weil „der Chef sagt, das ist eben unser Geschäft“.
„Der Weltpostvertrag sieht vor, dass Pakete bis zu 31,5 Kilogramm angenommen und transportiert werden“, erklärt der Sprecher der Post. „Im Vorjahr hatten rund 70 Prozent aller in Österreich zugestellten Pakete unter zwei Kilogramm, nur 1,4 Prozent waren schwerer als 20 Kilogramm.“
Stuber beklagt die teilweise fehlende Wertschätzung seitens jener Menschen, denen die vielen Pakete zugestellt werden. „Manche kommen nicht einmal auf die Idee, einem beim Tragen zu helfen“, sagt die Postmitarbeiterin.
Allerdings gebe es auch andere: „Ein Mann hat einmal gefragt, ob man uns das Leben irgendwie erleichtern kann. Ich habe ihm gesagt, Wertschätzung wäre mal ganz wichtig, und dass zum Beispiel der Postkasten nicht an der Haustür hängt, sondern zur Straße. Gerade im Winter, wenn die Straßen schlecht geräumt und rutschig sind, kostet es uns sonst viel Energie und Zeit, zum Postkasten zu kommen.“
Trotz allem haben beide es nie bereut, bei der Post geblieben zu sein.
Thaler: „In meinem Rayon gibt es sehr nette Leute. Manchmal bekomme ich Süßigkeiten oder einen Keksteller als Dankeschön. Das müsste aber gar nicht sein, denn ich mache die Arbeit gerne.“«
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