Anlässlich des Europäischen Tags gegen Menschenhandel kamen auf Einladung der Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – Aktiv für Menschenwürde in OÖ“ unter Leitung von Sr. Maria Schlackl SDS 130 Interessierte zu einer Buchpräsentation und Diskussion in den Linzer Wissensturm.
In ihrer Einleitung wies Sr. Maria Schlackl auf die erschütternde Aktualität der Veranstaltung hin: „Was wir hier abhandeln, ist kein theoretisches Philosophieren über Tatsachen längst vergangener Zeiten oder fern von Oberösterreich.“ Sie fasste die Vorgänge, die sich Ende September 2022 im Ennstal ereignet hatten, im Stenogramm-Stil zusammen: „Ein Freund, ein Chauffeur, ein Aufpasser, ein Zuhälter bringt eine junge Frau mit dem Auto von Linz nach Ternberg in eine unbekannte Wohnung zu einem unbekannten Freier. Übers Internet wurde sie bestellt für sexuelle Dienstleistung, zum Vergnügen eines fremden Mannes! Das Ende kennen wir: Mord an einer 23-jährigen jungen Frau aus Rumänien – Prostituiertenmord hieß es nach Tagen in den Medien, nachdem eineinhalb Tage lang Freundinnen versucht haben, Alarm zu schlagen.“
Wenn auch noch nicht alles bis ins Detail geklärt ist, zeigt sich, dass hier die Themen grenzüberschreitender Menschenhandel, Prostitution, Zuhälterei und Ausbeutung im Spiel sind. Sr. Maria Schlackl lud zu einer Schweigeminute ein, um sich mit allen Opfern derartiger Verbrechen zu verbinden und mit all jenen, die jetzt um ihr Leben bangen: „Menschenhandel und jegliche Form von Missbrauch und Gewaltanwendung ist mit Menschenwürde unvereinbar.“
Der deutsche Kommissar Manfred Paulus war Jahrzehnte im Bereich der Rotlichtkriminalität, des Frauen- beziehungsweise Kinderhandels und der Pädokriminalität tätig. In seinem Buch „Zuhälterei“ betont er, dass die Grenze zwischen Zuhälterei und Kriminalität schwer fassbar ist: „Schwierig ist häufig, die subjektive Absicht des Täters oder der Täter nachzuweisen.“ Als Beispiel führt er die sogenannten „Loverboys“ an, die den Mädchen oder jungen Frauen die „große Liebe“ vorgaukeln, in Wirklichkeit aber die Absicht haben, das Gegenüber in der Prostitution auszubeuten: „Das ist oft schwer oder zu spät erkennbar und so bleibt viel im Graubereich.“
Dass Prostitution salopp oft als das älteste Gewerbe der Welt bezeichnet wird und dabei unausgesprochen die Meinung mitschwingt, man solle dieses menschliche Phänomen nicht allzu sehr problematisieren, dem kann er nichts abgewinnen: „Mit solchen Aussagen wird tatsächlich verharmlost. Auch wenn es Prostitution schon immer gab, es muss sie nicht weiterhin geben. Die Menschheit kann und sollte sich weiterentwickeln und heute sollte der Würde der Frau als höheres Rechtsgut Vorrang eingeräumt werden.“
Spricht man in der Öffentlichkeit das Thema Prostitution kritisch an, wird man umgehend mit dem Einwand konfrontiert, dass es Frauen ohne Zuhälter gibt, die Prostituierte aus freier Entscheidung seien. Die Erfahrung von Kommissar Paulus ist eine andere: „Freiwillig und selbstbestimmt, das ist nach meiner Erfahrung eher die absolute Ausnahme. Prostitution findet in der Subkultur Rotlichtmilieu statt und die vereinnahmt diese Frauen. Sie sind den Vorgaben und Zwängen des Milieus ausgeliefert.“
Die Darstellung des Rotlichtmilieus im Buch von Manfred Paulus zeigt, dass Zuhälter in den allermeisten Fällen nicht „nur“ Zuhälter sind, sondern mit der organisierten Kriminalität, man kann dazu etwas plakativ auch Mafia sagen, in Beziehung stehen. Er stellt klar: „Das schleichende Fortschreiten der organisierten Kriminalität wird meines Erachtens zu wenig wahrgenommen und thematisiert. Was einst von deutschen und österreichischen Zuhältergrößen beherrscht wurde, ging und geht immer mehr in die Hände der organisierten Kriminalität zuzuordnender Gruppierungen über. Ich halte die Rotlichtmilieus für die Einfallstore der organisierten Kriminalität. Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung sind vielfach ein Geschäftsfeld der organisierten Kriminalität, weil es höchst lukrativ ist: Es sind keinerlei Investitionen erforderlich und es besteht wenig Risiko, da Prostitution ja erlaubt ist.“
Für Paulus, der die Szene genau beobachtet, zeigt sich deutlich, dass die Einflussnahme der organisierten Kriminalität nicht an den Grenzen des Rotlichts aufhört: „Sie versucht weiter in andere gesellschaftliche Bereiche einzudringen.“
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