Sie sind für die Einführung eines Grundeinkommens. Wie sollte das - ganz grob gesagt - gestaltet und finanziert werden?
Guido Rüthemann: Unser ,Linzer Modell‘ ist im Prinzip eine mehr oder weniger große Steuerreform. Der Steuerfreibetrag von 10.000 Euro, der schon heute allen Erwerbstätigen pro Jahr zusteht, würde auf die Summe des Grundeinkommens erhöht bzw. an Arbeitslose oder Notstandshilfe-Beziehende etc. zur Gänze ausgezahlt. Damit verfügen alle, also jede und jeder monatlich über 1.200 Euro, Kinder z.B. dann über die Hälfte. Und das lässt sich - für den Staat - sogar kostenneutral rechnen. Denn jeden Euro, der dazuverdient wird, gilt es ja weiterhin zu versteuern, zum Teil gegenüber heute leicht erhöht. Nebst Einsparungen und anderen Maßnahmen/Anpassungen wären beispielsweise die Vermögensteuern anzuheben. Am Ende des Jahres würden nach einer solchen Grundeinkommensausschüttung/ -berechnung 80-85 Prozent der Bevölkerung mehr am Konto vorfinden, wenn auch nicht alle in der vollen Höhe eines Grundeinkommens. Und die restlichen 15-20 Prozent würden netto mehr an Einkommenssteuern als bisher zu zahlen haben, gerade die Millionäre.
Es gibt viele verschiedene Modelle für ein mögliches Grundeinkommen. Gemeinsam wollen diese verschiedenen Gruppierungen ein Volksbegehren starten. Wie gehen Sie dabei mit dieser Unterschiedlichkeit um?
Rüthemann: Ich mache das Grundeinkommen als Idee in der politischen Debatte schon kaputt, wenn ich diese Modellfragen breit debattiere. Es soll zu einer grundsätzlichen Positionierung zum Grundeinkommen kommen und danach eine offene Diskussion, wie das genau ausschauen soll.
Wieso brauchen wir Ihrer Meinung nach das Grundeinkommen?
Rüthemann: Als Mensch habe ich das Menschenrecht, meine Existenz gesichert zu bekommen. Ohne Prüfung des Bedarfs. Es würde die Basis für notwendige wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen sein.
Sie bringen in Ihrem Buch einen neuen Ansatz ins Spiel, indem Sie das Grundeinkommen als Chance und Beitrag zur Rettung des Klimas verstehen. Warum gehen Sie davon aus, dass sich die Menschen umweltbewusster verhalten, wenn sie ein Grundeinkommen bekommen?
Rüthemann: Ohne soziale Gerechtigkeit tut sich die Klimabewegung schwer. Man hat das in Frankreich gesehen, wo 2018 der Treibstoffpreis aus ökologischen Gründen erhöht wurde, was Proteste der ärmeren Bevölkerungsschicht zur Folge hatte. Daraus kann man lernen: Je sozialer sich unsere Gesellschaft gestaltet, desto leichter gelingt es ihr, sich ökologischer zu gestalten. Das Grundeinkommen soll eine Umverteilung des Wohlstands sein, sodass sich die Ärmeren den Klimaschutz leisten können. Die Umwelt hat für die Menschen erst dann einen Wert, wenn sie selbst Wertschätzung der Gesellschaft erfahren.
Ihr Ansatz für den Klimaschutz, den Sie in Ihrem Buch verfolgen, ist ziemlich radikal.
Rüthemann: Ich stelle mir eine Gesellschaft vor, die keine Privatautos mehr hat, das wäre eine riesige Veränderung. Eine Annahme dabei ist, dass die Menschen mit dem Sammeltaxi zur Arbeit fahren. Wenn das so organisiert ist, dass diese Taxis ständig unterwegs sind, käme man ohne Mobilitätsreduktion mit rund 80 Prozent weniger Autos aus als heute.
Wenn Sie jetzt die heilige Kuh Auto angehen und Privatautos praktisch verbannen wollen, sind Sie für viele schnell im Eck des Ökospinners. Wieso wollen Sie dennoch diesen Schritt setzen?
Rüthemann: Ich kann mich auf eine Studie der Universität für Bodenkultur Wien berufen. Die haben ausgerechnet, dass dieser Ansatz mit Sammeltaxis, die zudem auch selbstfahrend unterwegs sein könnten, funktionieren würde. Ich stelle nicht die Automobilität infrage, sondern das Idol Privatauto. Ich weiß, dass das eine gewaltige wirtschaftliche Umstellung gerade im Bereich der Produktion der Autos ist, wo viele Arbeitsplätze wegfallen würden. Mit der Sicherheit des Grundeinkommens würde diesen Menschen ein Umstieg auf andere Branchen aber deutlich leichter fallen.
Wie könnte man mit dieser Umstellung anfangen, gibt es einen zeitlichen Horizont dafür?
Rüthemann: Die Stärkung von Sammeltaxis bzw. öffentlichem Verkehr überhaupt ist jederzeit möglich. Aber natürlich: Änderungen z.B. bei Nutzung oder Besitz von Verkehrsmitteln sind keine Voraussetzung für die Einführung des Grundeinkommens. Jedoch dürfte umgekehrt dessen Verwirklichung das Umsetzen klimarelevanter Maßnahmen beim Verkehr bzw. generell positiv beeinflussen. Insofern ist eine möglichst baldige Realisation wünschenswert. Heute wichtiger als die Nennung eines konkreten Zeithorizonts erscheint mir die Vertiefung dieser Debatten, z.B. via Volksbegehren.
Es gibt unbeliebte Jobs, bei denen es wohl schwer wäre, noch Arbeitskräfte zu finden, wenn es ein Grundeinkommen geben würde.
Rüthemann: Notwendige Arbeit, die man nicht wegrationalisieren kann, muss dann wahrscheinlich teurer bezahlt werden. So wie es heute ja auch schon eine Schmutzzulage gibt und zum Beispiel Kanalarbeiter ganz ordentlich entlohnt werden. Das Prinzip müsste sich auf andere Branchen ausweiten.
Haben Sie keine Angst, dass es Leute gibt, die mit einem Grundeinkommen nicht mehr arbeiten wollen?
Rüthemann: Ich glaube nicht, dass viele Leute aufgrund des Grundeinkommens nichts mehr arbeiten würden. Die Umfragen zum Grundeinkommen zeigen: Viele würden vielleicht ein bisschen weniger arbeiten und das als Erhöhung der Lebensqualität empfinden.
Die Eintragungswoche für das Volksbegehren für das Grundeinkommen findet wahrscheinlich im Frühjahr 2022 statt. Was sind die Ziele?
Rüthemann: Natürlich die 100.000 Unterschriften, damit das Thema im Parlament behandelt werden muss, und besser deutlich mehr. Wir haben jetzt schon fast 80.000 Unterstützungserklärungen, was zeigt, dass die Debatte langsam, aber sicher in der gesellschaftlichen Mitte ankommt.
Guido Rüthemann. Grundeinkommen4Klimarettung. Reiner Sonnengesang? Überlegungen zum Grundeinkommen. Books on Demand. Norderstedt, 2020, 64 Seiten
In der Woche des Grundeinkommens
(10. bis 26. September) findet am Fr.,
24. September, von 16 bis 20 Uhr im Musikpavillon Donaulände Linz ein Benefizkonzert zur Unterstützung des Grundeinkommens-Volksbegehrens statt.
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