Die Coronapandemie hat viele Unternehmen in massive wirtschaftliche Turbulenzen gebracht. Dass das Virus der Grund für die ungewisse Zukunft des LKW-Produktionsstandortes MAN in Steyr mit über 2.200 Beschäftigten sein soll, wollen die meisten Kenner des Werkes jedoch nicht glauben. Klar ist, dass das zum Volkswagen-Konzern gehörende MAN-Werk in Steyr zumindest bis vor Kurzem Gewinne geschrieben hat. „Noch vor zwei Jahren sind Gewinnprämien an uns Mitarbeiter ausgeschüttet worden, das bewegte sich im Bereich von 30 Prozent eines Monatsgehalts“, erzählt Franz Kalkgruber, der nach vielen Jahren als Entwickler bei MAN erst im vergangenen Dezember in Pension gegangen ist. „Es war für mich immer ein super Arbeitsplatz“, sagt Kalkgruber. Er sorgt sich um seine ehemaligen Kollegen und ist erschüttert über die Vorgangsweise des Konzerns. Besonders sauer stoßen die Überlegungen auf, das Werk nach Polen zu verlegen, wo billiger produziert werden kann. „Die Reichen wollen immer noch mehr haben. Da geht es nur um Gewinnoptimierung. Das ist reinste Profitgier“, ärgert sich Kalkgruber. Es sei jetzt wichtig, den Entscheidungsträgern im Konzern zu verdeutlichen, dass es nicht nur die Beschäftigten, sondern ganz Steyr nicht kaltlässt, was mit dem Werk passiert. Dennoch ist die derzeit wohl größte Hoffnung der Mitarbeiter/innen, dass das Werk an einen Investor verkauft wird und so weitergeführt werden kann. Froh ist Franz Kalkgruber jedenfalls, dass die Betriebsseelsorge in Steyr und die katholische Pfarre Ennsleite sich auf Seiten der MAN-Mitarbeiter/innen positionieren und den Protest von Gewerkschaft und Betriebsrat unterstützen.
Auf dem Pfarrgebäude von Steyr-Ennsleite ist ein Transparent angebracht: „Wir sind solidarisch mit euch“, ist dort zu lesen. „Sie sollen merken, dass da jemand da ist, der an sie denkt und auf ihrer Seite ist“, betont Kalkgruber, der sich ehrenamtlich in der Pfarre engagiert. Wir wichtig die moralische Unterstützung ist, weiß auch Betriebsseelsorgerin Ulrike Hammerl, die in ständigem Austausch mit den Beschäftigten ist „Die Leute waren alle stolz, bei MAN zu sein. Jetzt erlebe ich aber bei vielen verständlicherweise eine tiefe Kränkung“, erzählt Hammerl im Gespräch mit der KirchenZeitung. So wie die Vertreter der Pfarre Ennsleite ist Hammerl beim Protestmarsch im vergangenen Oktober in Steyr mitgegangen. Kurz vor Weihnachten hat die Betriebsseelsorge außerdem Gebäck an die Mitarbeiter/innen von MAN Steyr verteilt – als kleine Anerkennung für ihre Arbeit.
So unerfreulich die derzeitige Lage rund um MAN ist, sind die Proteste ein weiterer positiver Beleg, dass sich das Verhältnis zwischen Arbeiterschaft und Kirche in Steyr in den letzten Jahren verbessert hat, meint Karl Ramsmaier. Der Religionslehrer an der HTL Steyr hat erforscht, welche tiefen Gräben es in der Vergangenheit in Steyr gab. Erst ab dem Jahr 1984 gab es eine merkliche Entspannung. Damals fand eine Versöhnungsmesse zum 50-jährigen Gedenken an den Bürgerkrieg im Jahr 1934 in der Pfarre Ennsleite statt, in der sich die beiden Seiten annäherten. „Die Solidarität der Kirche mit den Arbeitern ist auch deswegen ganz wichtig“, betont Ramsmaier.
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