Wie groß ist die Katholische Hochschulgemeinde in Linz?
Joachim Jakob: Der Gemeindebegriff, den wir im Namen haben, ist vielleicht ein bisschen irreführend, der erinnert an die Pfarrgemeinde. Man kann das nicht quantifizieren. Es gibt ein Stammpublikum von Leuten, die z. B. im Franz-Jägerstätter-Heim wohnen und spontan zu unseren Veranstaltungen kommen. Ansonsten ist eine starke Fluktuation da. Letztlich besteht unsere „Gemeinde“ aus den Studierenden der Linzer Unis und Hochschulen. Wir versuchen unsere Angebote so zu gestalten, dass sie für möglichst viele interessant sind. Räumlich hängen wir stark an der Johannes Kepler Uni. Für uns wird es in der Zukunft eine große Frage sein, wie wir Studierende an anderen Hochschulen noch stärker erreichen und einbinden können.
Zur Katholischen Hochschulgemeinde gehören drei Studierendenheime, das größte davon ist das Franz-Jägerstätter-Heim bei der Johannes Kepler Uni (JKU). Was ist das Besondere an diesen Heimen?
Jakob: Es ist eine gute Gemeinschaft, vielleicht weniger anonym als in größeren Heimen. Dadurch entwickeln sich häufig langjährige Freundschaften. Außerdem wird ein gewisses Maß an Eigeninitiative verlangt von den Bewohnerinnen und Bewohnern. Im KHG-Heim gibt es z. B. eine Kellerbar und eine Cafeteria, da braucht es Leute, die sich ehrenamtlich in die Gemeinschaft einbringen wollen.
Früher sprach man von der goldenen Studienzeit. Gilt das Ihrer Beobachtung nach auch heute noch, dass man sein Studium genießen kann, oder dreht sich schon alles um Selbstoptimierung?
Jakob: Ich denke schon, dass das Studium eine Zeit ist, die man genießen kann. Im Vergleich zu dem, was ich von früheren Generationen höre, scheint mir aber alles viel stärker durchstrukturiert, und es gibt eine starke Praxisorientierung. Es geht im Studium oft stark darum, was man später im Beruf verwerten kann.
Welche Rolle hat da die Hochschulgemeinde?
Jakob: Es ist eines unserer Hauptanliegen, Angebote für Studierende zu schaffen, über die sie neben ihrem Studium noch andere Perspektiven wahrnehmen und ihre Freiräume nutzen.
Was bewegt Studierende heutzutage, welche Fragen stellen sie sich?
Jakob: Oft gibt es einen großen Druck beim Lernen, einige sind nebenbei berufstätig, was auch dazu beiträgt, dass Studierende wenig Zeit haben. Die Herausforderung ist für sie, alles unter einen Hut zu bringen.
Wie viel Platz ist für Idealismus bei den Studierenden?
Jakob: Ich sehe schon, dass diese Fragen – Stichwort Klimaproteste – an Bedeutung gewinnen. Ich glaube, dass Studierende sich jetzt etwas stärker diesen Themen zuwenden als vielleicht noch vor wenigen Jahren.
Ist das Rückenwind für die KHG, die politische Themen immer schon aufgegriffen hat?
Jakob: Ja, wir wollen bei der Entwicklung anknüpfen, dass ökologische und politische Fragen wieder stärker diskutiert werden.
Die Hochschulgemeinde hat ihr Zentrum, räumlich gesehen, am Rande des JKU-Campus. Was bedeutet das?
Jakob: Unser Anliegen ist schon, am Campus der Johannes Kepler Uni und an den anderen Linzer Hochschulen präsenter zu werden und Aktionen zu setzen. Vieles läuft trotz Social Media über den persönlichen Kontakt. Wenn die Studierenden meine Kolleginnen und Kollegen und mich kennen, ist die Hemmschwelle geringer, zu Veranstaltungen der KHG zu kommen.
Welche Form von Seelsorge findet statt, gibt es auch den intimeren Rahmen von Einzelgesprächen?
Jakob: Ja, auch Einzelgespräche spielen eine Rolle, es ist schon Redebedarf da. Natürlich bieten wir auch Gottesdienste an, die aber häufig weniger stark frequentiert sind als andere Abendveranstaltungen.
Die Katholische Hochschulgemeinde hat einen toleranten Zugang zum Glauben. Wie zeigt sich das in der Praxis?
Jakob: Wir haben zum Beispiel einen interreligiösen Gebetsraum an der JKU, der in der KHG ist. Dieser wird von Musliminnen und Muslimen stark frequentiert, weil sie am Unicampus keine Möglichkeit zum Gebet haben. Ich sehe es als Bereicherung, mit anderen Religionen in Kontakt zu treten und zu stehen. Wir wollen als Hochschulgemeinde diesen interreligiösen Bereich stärken. Es ist ein wichtiger Schritt, dass Menschen verschiedener Religionen miteinander reden und nicht nur übereinander.
Wie viel Seelsorge braucht es an der Uni?
Jakob: Das ist schwer quantitativ zu fassen. Ich glaube, dass es schon einen großen Bedarf gibt, Sinnfragen zu behandeln. Ich merke das gerade bei einer Kollegin, die für die Pädagogische Hochschule der Diözese Linz zuständig ist und wo es einen starken Zulauf zum Seelsorgeangebot gibt. Generell ist der Bedarf an Seelsorge auch im Bereich der internationalen Studierenden, die immer mehr werden, da. Diese Gruppe braucht Anknüpfungspunkte, und ich denke, dass wir als KHG Gemeinschaft stiften können. Auch für Bedienstete, die im universitären Mittelbau tätig sind und die befristete Verträge haben, ist es uns ein Anliegen, neue Angebote aufzubauen. Die Uni erzieht die wissenschaftlichen Mitarbeitenden ein Stück weit zum Einzelkämpfertum. Da wollen wir ein bisschen gegensteuern.
Sind die Kirche und der Glaube für junge Menschen noch anziehend und überzeugend?
Jakob: Natürlich gibt es verschiedene Gruppen unter den Studierenden. Ein kleiner Teil sind jene, die religiös sozialisiert sind durch die Pfarre und sich z. B. in der Katholischen Hochschuljugend engagieren. Die meisten haben aber keinen Bezug zur Kirche. Schwierig ist das Verhältnis der Studierenden zur Kirche nicht zuletzt aufgrund der kirchlichen Positionen zur Sexualität oder der Rolle der Frauen oder wegen der Missbrauchsskandale. Das sind die Themen, bei denen es sich reibt. Hier haben wir als KHG eine große Verantwortung, als Kirche trotz dieser Umstände präsent zu sein und zu zeigen, dass Kirche anders sein kann, als es der Fokus der medialen Berichterstattung nahelegt. Wir sind als kirchliche Mitarbeitende ganz normale Menschen, man muss keine Scheu haben, mit uns in Kontakt zu treten. «
Zur Sache
Die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) ist eine christliche Gemeinde an der Universität und richtet sich mit ihrem Programm an alle Angehörigen der Linzer Universitäten und Fachhochschulen.
Neben vielfältigen Veranstaltungen und Aktivitäten, die gemeinsam von haupt- und ehrenamtlichen Gemeinderätinnen und -räten und Mitgliedern der Katholischen Hochschuljugend (KHJ) organisiert werden, bietet die KHG eine einladende Infrastruktur und betreibt drei Heime: das Wohnheim Franz Jägerstätter bei der Johannes Kepler Uni (JKU), das Studierendenheim Petrinum in Linz-Urfahr und das Salesianum hinter der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz. Außerdem betreibt die Hochschulgemeinde bei der JKU eine Mensa, die sich großer Beliebtheit erfreut.
Feierlichkeiten. Dass das KHG-Haus in der Mengerstraße in Linz-Urfahr vor 50 Jahren eröffnet wurde, ist nun Anlass für drei Veranstaltungen im Mai:
Am Mittwoch, 15. Mai findet um 20 Uhr ein Konzert mit alten Bekannten aus der Geschichte der KHG statt.
Am Donnerstag, 16. Mai feiert Bischof Manfred Scheuer um 18 Uhr einen Festgottesdienst. Danach folgt ein Festakt in der Galerie mit Gästen aus Politik und Kirche.
Am Samstag, 18. Mai, gibt es um 14 Uhr Uhr ein Ehemaligen-Treffen in der Galerie im Haus der Katholischen Hochschulgemeinde Linz.
Weitere Informationen zur Hochschulgemeinde unter:
www.khg-linz.at
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