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Ein Ehepaar, beide über 60 Jahre alt, wollten eigentlich Probleme bereinigen, die mit einer dritten Person in Zusammenhang standen. Der Hintergrund für diese Auseinandersetzungen war aber an anderer Stelle zu finden.
Das Paar lebte in einer sehr patriarchalischen Beziehung. Der Mann hatte das Sagen. Die Frau schluckte über die Jahre etliche kleinere und größere Kränkungen und Abwertungen hinunter, ohne dagegen aufzubegehren. Es war entweder nicht der richtige Zeitpunkt, wurde von anderen Dingen überlagert oder sie sah einfach keine Chance, über eine erlittene Kränkung zu sprechen. Die Frau hatte diese Dinge aber nie vergessen.
„Da fiel mir der Vergleich des Paartherapeuten Martin Koschorke ein“, erzählt Andrea Holzer-Breid. In seinem „Führerschein für Paare“ beschreibt er ein Ärger-Management, das vielen wohl aus dem Alltag bekannt sein dürfte. Schmerzliche Erfahrungen können – so Koschorke – eingefroren und im Notfall wieder aufgetaut werden. Im hektischen Alltag steckt die Seele den Ärger und Groll in einen Tiefkühlschrank, mit einer Mikrowelle holt sie diese Kränkungen wieder ans Tageslicht – manchmal liegen Jahre dazwischen. Ein Beispiel: „Als ich damals schwanger war, hast du immer den jungen Mädchen nachgeschaut! Das vergesse ich nie!“ Obwohl diese Verletzung über 30 Jahre her ist, ist sie in diesem Augenblick so frisch, als wäre sie gestern geschehen.
Holzer-Breid findet diesen Vergleich sehr passend, weil die Beziehung unter diesen tiefgekühlten Kränkungen leidet, die Lebensenergie könnte man positiver einsetzen als zum Konservieren alter Dinge. Und: „Manchmal kann man die Kälte richtig spüren!“
Also riet sie dem Paar, diese lange vergangenen, aber eben nicht vergessenen Kränkungen aufzuarbeiten. „Ich habe mich sehr darübr gefreut, dass der Mann seiner Frau auch wirklich zugehört hat und auf sie eingegangen ist, auch wenn er sich an manche Dinge gar nicht mehr erinnern konnte.“
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