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„Deine Vernunft befiehlt, daß Du Atempausen machst. Die Fastenzeit ist eine gute Gelegenheit dazu“, schrieb der Schweizer Ordenspriester und Journalist Ernst Schnydrig. „Jeder von uns hat schon einmal mitansehen müssen, wie einmal rechts, einmal links an seiner Seite ein Mensch, der zu viel fertig machen wollte, unvermutet selber fertig war. Im besten Alter. Wir sind jedesmal erschrocken. Aber ohne Nutzanwendung“, führt er aus. Er schreibt von einem (unfreiwilligen) Supermenschen, der dann plötzlich auf der Nase liegt, weil er vorzeitig fertig ist. „Und zwar restlos fertig.“ Daraus kann und sollte man auch heute noch lernen.
Heute spricht man gerne vom „Autofasten“ oder „Handyfasten“. 1966 tickten die Uhren noch anders, außerdem war ja das Handy noch gar nicht erfunden. Damals rief man dazu auf, seine Zunge besser im Zaum zu halten, zumindest während der Fastenzeit. Folgerichtig nannte man es „Zungenfasten“. Dafür gab es auch Beispiele: „Karl ist ein Gewohnheitsflucher. Er wird in diesen Wochen versuchen, keinen Fluch über seine Lippen kommen zu lassen. Fräulein Ursula kann nichts für sich behalten, selbst das, was man ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hat. Ihr Vorsatz: Ich will mich mühen, das Vertrauen, das man mir schenkt, zu rechtfertigen.“ Mit Worten vorsichtig umgehen, damit andere nicht verletzen – bei einem Blick in die sozialen Medien ist „Zungenfasten“ im Jahr 2021 leider aktueller denn je.
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