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Viele Wege führen nach Rom

Professorin Isabella Bruckner: Ob Beten Sinn hat

WELTKIRCHE_

Intelligenz und Schönheit spiritueller Ausdrucksformen reflektiert die 31-jährige Professorin Isabella Bruckner. 

Ausgabe: 33/2023
14.08.2023
- Monika Slouk
Die Tiber-Insel in Rom  ...
Die Tiber-Insel in Rom ...
© Slouk

Vor wenigen Stunden ist Isabella Bruckner von einer mehrtägigen Konferenz aus Schottland zurückgekommen nach Rom. „Ich bin gerne unterwegs“, sagt die junge Professorin der Benediktinerhochschule SantʼAnselmo über sich selbst.

 

Der Zweck der Reise war nicht das Unterwegssein, sondern eine interreligiöse und interdisziplinäre Tagung mit 900 Wissenschaftstreibenden aus vielen Ländern der Erde. Ihr eigener wissenschaftlicher Beitrag war es darzustellen, wie provokant das strukturierte Klosterleben für das moderne Zeitkonzept ist (Stichwort Beschleunigung).

 

WOFÜR BETEN GUT SEIN SOLL

 

Seit einem Jahr lebt Isabella Bruckner in Rom. Sie erhielt eine neu ins Leben gerufene Stiftungsprofessur, deren Aufgabe es ist, christliche Theorie und spirituelle Praxis in Einklang zu bringen. Gemeinsam mit internationalen Stipendiatinnen und Stipendiaten untersucht sie spirituelle Praktiken wie Gebet, Liturgie, religiöse Gemeinschafts- und Lebensformen und stellt einen Zusammenhang zur Theologie her. „Wir reflektieren christliche Ausdrucksformen in ihrer Sinnhaftigkeit, Geisthaftigkeit, in ihrer Intelligenz und Schönheit.“ Es sei nicht einfach, heute den Sinn des Betens zu erklären. „Was soll das für einen Sinn haben, zu jemandem zu sprechen, der nicht da ist?“

 

Auch bei größeren Liturgieformen, die mit Symbolen, Gesten und Riten arbeiten, stelle sich für viele die Frage, was das für einen Sinn hat. „Ein neues Verständnis und einen neuen Geschmack dafür zu schaffen, ist eine Idee der neu gegründeten Stiftungsprofessur.“ Es gäbe schließlich auch Menschen, die mehr wissen wollen, die neugierig sind und ein religiöses Bedürfnis spüren, ohne dass sie bisher irgendwo „andocken“ konnten.


VIELGEREIST

 

Es ist bereits die vierte Universität, an der die gebürtige Amstettnerin als Wissenschaftlerin arbeitet. Ihre Laufbahn begann sie in Wien, setzte sie in Graz fort und kam nach Linz. Dann merkte sie, dass sie noch gerne weiter weg ginge. „Ich wollte in eine andere Sprache eintauchen, nicht nur oberflächlich. Ich wollte darin leben und darin spüren lernen.“

 

Zu Italienisch hatte sie schon einen Bezug, aber noch keine Kenntnisse. Ihr ehemaliger Diplomarbeitsbetreuer in Wien, Kurt Appel, pflegt regen wissenschaftlichen Austausch mit italienischen Universitäten. „Es hat mich immer geärgert, dass ich mit seinen Gästen nicht reden konnte“, erinnert sich Isabella Bruckner. Ihre Doktormutter war dann selbst Italienerin, die damalige Grazer und jetzt Linzer Professorin für Fundamentaltheologie, Isabella Guanzini.

 

Doch mit dem Italienischlernen begann Bruckner erst, als sie bereits die Stelle in Rom fix in Aussicht hatte. „Wobei“, lacht die energiegeladene Frau, „Rom nicht das beste Pflaster zum Italienischlernen ist.“ Einerseits habe sie es an der internationalen Hochschule mit vielen verschiedenen Sprachen und Akzenten zu tun, andererseits pflege sie gerne an Wochenenden und Abenden die „Heimat-Angebundenheit“ in der deutschsprachigen Pfarre Santa Maria dellʼAnima, in deren Nähe sie wohnt. Bei den Benediktinern auf dem Aventin, wo ihre Hochschule SantʼAnselmo liegt, könnte sie als Frau nicht dauerhaft wohnen, sie würde es aber auch nicht wollen. „Es ist gut, den Abstand zur Arbeit zu haben und die Möglichkeit zu haben, ein anderes Rom kennenzulernen.“

 

VERSCHIEDENE DIMENSIONEN

 

Eine andere Welt lernte die Professorin allerdings auch an der Hochschule selbst kennen. Im Hörsaal ist der Unterschied zu Österreich auffällig. „In Österreich sitzen im Hörsaal Studierende vor allem aus Österreich, ein paar aus Deutschland und wenige Seminaristen oder Ordensleute aus Afrika und Asien. Hier in Rom ist das Verhältnis umgekehrt. In der theologischen Einführungsvorlesung, die ich gemeinsam mit dem Rektor gehalten habe, saßen 22 Studierende aus 14 Ländern, der Großteil aus Afrika und Asien.“

 

Auch die Relation zwischen Männern und Frauen im Studium ist in Rom ganz anders. „In Österreich sind etwa gleich viele Frauen wie Männer im Grundstudium. Hier in Rom waren von 22 Personen drei Frauen, davon zwei Ordensfrauen. Ähnlich sieht es im Bereich der Lehrenden aus.“

 

WUNDER DES ZUSAMMENHALTS

 

Auch inhaltlich zeigen sich Unterschiede zu Österreich. „Hier in Rom bekommt man hautnah mit, dass das Verständnis von Kirche, von Geschlecht, von geschlechtlicher Identität, von Rollen, in anderen Teilen der Welt ganz anders aussieht als bei uns.“ Sie gerate immer wieder ins Staunen, wie Kirche als Institution weltweit funktioniert, „dass es einen Zusammenhang und Zusammenhalt gibt. Man kann das auch problematisch sehen, ich finde es schön. Es macht mir die Vielfalt in ihrer Schönheit bewusst.“

 

Als Theologin sei sie mit der Institution verwoben, von ihr betroffen und in gewissem Sinn von ihr abhängig. „Daher bin ich dankbar für das freiere und anerkennendere Klima, das meinem Empfinden nach Papst Franziskus den Laien und Frauen gegenüber in der Kirche geschaffen hat.“ Wertvoll findet Bruckner auch, dass Franziskus generell etwas liege an neuen Umgangsformen und Organisationsformen. Ob durch die aktuelle Weltsynode große Schritte zu erwarten seien, will sie nicht beurteilen, „weil ich zu wenig bei den Insidern bin und man sehr unterschiedliche Meinungen dazu hört.“


DAS LEBEN AUF DER STRASSE

 

Die Stiftungsprofessur ist auf drei bis fünf Jahre angelegt, so lange will Isabella Bruckner auf jeden Fall in Rom bleiben. „Ich bin schwer begeistert. Es ist vielleicht die schönste Stadt der Welt. Ich liebe es hier – außer die Hitze.“

 

Was sie an der römischen Lebensart am meisten begeistert? „Aperitivo!“ In Italien besucht man eine Bar nicht nach dem Abendessen, sondern vor dem Abendessen. Dort trifft man andere – meist im Freien vor der Bar, nicht in der Bar. „Was ich an Italien immer schon geliebt habe, ist das Leben draußen auf der Straße. Ich bin gerne unterwegs.“ Als gute Theologin kann sie das weltliche Ritual des „Aperitivo“ auch spirituell begründen: „Diese alltägliche Festlichkeit, das finde ich etwas sehr, sehr Schönes.“ 
           

 

ISABELLA BRUCKNER

 

Geboren am 1. Dezember 1991 in Amstetten. Studium der Katholischen Fachtheologie an der Universität Wien. Organisationsassistentin der Forschungsplattform „Religion and Transformation in Contemporary Society“ und am Institut für Theologische Grundlagenforschung der Universität Wien. Doktoratsstudium und Univ.-Ass. am Institut für Fundamentaltheologie an der KFU Graz und an der KU Linz. Inhaberin des Lehrstuhls für Christliches Denken und Spirituelle Praxis am Päpstlichen Athenäum Sant’Anselmo. Trägerin des Karl-Rahner-Preises.

 

 

 

... ist ein Lieblingsort von Isabella Bruckner.
... ist ein Lieblingsort von Isabella Bruckner.
© Slouk
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Dietmar Steinmair ist Geschäftsführer des Katholischen Bildungswerks Vorarlberg und Teamleiter im Pastoralamt der Diözese Feldkirch.

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