Wort zum Sonntag
Über die „Balkanroute“ kommen nach wie vor Menschen in die Europäische Union, allerdings wird ihre Würde mit Füßen getreten. Das hat der Steyler Missionar Emanuel Huemer bei einer Fahrt an die EU-Außengrenze erlebt.
Für Bruder Emanuel Huemer ist klar: Wer einen Asylgrund hat, hat ein Recht auf Asyl: Asyl ist kein Gnadenakt. Um die Situation von Menschen zu verstehen, die ihre Heimat verlassen und sich auf einen manchmal jahrelangen Weg in die Zukunft machen, hat er Petar Rosandić sowohl nach Kroatien als auch nach Bosnien und Herzegowina begleitet.
Zwischen diesen beiden Staaten mit derselben Sprache verläuft die Außengrenze der Europäischen Union. Der österreichische Hip-Hop-Musiker Rosandić spricht diese Sprache und hilft seit Jahren Menschen, die gegen jede Verachtung, gegen Misshandlung und gegen Widerstand an ihre Zukunft glauben und den Weg in die Europäische Union immer und immer wieder versuchen.
Dass diese Hartnäckigkeit nötig ist, liegt daran, dass es für sie keine legale Möglichkeit gibt, in die EU zu reisen, und dass sie aus Kroatien regelmäßig über die Grenze nach Bosnien und Herzegowina zurückgedrängt werden, obwohl diese „Pushbacks“ eigentlich nicht erlaubt sind. Bruder Emanuel Huemer ist in Bosnien einigen jungen Männern und einer jungen Frau aus Sierra Leone begegnet, die kurz vorher aus Kroatien über den Grenzfluss zurückgedrängt worden waren. Alle waren minderjährig.
Die jugendliche Frau hatte auf dem Weg ein wenig Fremdsprachen erlernt, sodass sie sich unterhalten konnten. „Die jungen Leute waren in diesem Moment so deprimiert“, schildert der Steyler Missionar. „Ich habe gesehen, dass sie Mut haben, Pläne haben, die Zukunft gestalten wollen.“ Sonst könnten sie die gefährliche Reise gar nicht bewältigen. Rückschläge stehen an der Tagesordnung, wie bei „Mensch ärgere dich nicht“. Nur dass es um Menschenschicksale geht.
Bruder Emanuel Huemer hat auch im Süden Mexikos schon gelebt, in Chiapas, wo Menschen aus vielen Ländern Richtung Norden ziehen, in der Hoffnung auf Lebenschancen. Zwischen den Migrationsrouten in Europa und Mexiko sieht er Parallelen. Dass den Menschen ihre Würde abgesprochen wird, dass es keine Strukturen gibt, die sie schützen, dass sie auf sich allein gestellt sind. Mit Ausnahmen von privaten Initiativen wie „SOS Balkanroute“ von Petar Rosandić oder dem Haus Bethanien, das die Steyler Missionare in Chiapas offen halten.
„Menschen auf der Durchreise können sich dort drei Tage lang ausruhen“, erklärt Huemer das Prinzip. „Das Haus ist nach dem Ort benannt, an dem sich Jesus bei Martha und Maria zurückziehen konnte, wenn er auftanken wollte.“
In Lateinamerika flüchten Menschen oft vor organisierter Kriminalität, der sie sonst nicht entkommen können. Sogenannte Kartelle (Mafias) bringen ganze Dörfer unter ihre Kontrolle und erpressen sie dann. Auch Bandengewalt und häusliche Gewalt sind Fluchtgründe. Die vielen tausend Kilometer legen die Betroffenen hinter sich, indem sie auf Güterzüge aufspringen und ohne Schutz vor Hitze, Kälte, Staub und Wind mitfahren. Das kostet Menschenleben.
Was die Menschen am Weg durch Lateinamerika Richtung USA und durch Europa in die Europäische Union verbindet, ist ihr unerschütterlicher Glaube an die Zukunft. Dass sie es an ihrem Ziel nicht leicht haben werden und mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Aufenthaltsbewilligung bekommen, ist für sie zweitrangig.
Bruder Emanuel Huemer kann sie verstehen. „Migration ist eigentlich der Normalfall“, sagt er aufgrund seiner Lebenserfahrung. „Auch wir Steyler Missionare sind ein Migrationsorden. Nur wenige von uns leben dort, wo sie aufgewachsen sind.“ Die Politik müsste es doch schaffen, so meint er, die Zuwanderung, die die EU dringend braucht, mit dem Überlebenswillen derer zu verbinden, die auf verschlungenen Wegen in die EU kommen.
„Sich abzuschotten, löst keine Probleme“, ist er überzeugt. „Die Komplexität zu leugnen und einfache Lösungen zu bieten, wie es Rechtsextreme in aller Welt machen, führt nicht in die Zukunft.“
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