Wort zum Sonntag
Der Vatikan hat bei der Präsentation des Arbeitsdokuments der Synode den regionalen Charakter betont. Gleichzeitig gibt es aber Erwartungen in weltkirchliche Effekte. Wie passt das zusammen?
P. Bernd Hagenkord: Dem Papst geht es nicht um Theorien, sondern um die Realität. Deshalb ist es wichtig, sich regionale Realitäten anzusehen. Aber im Arbeitspapier der Synode ist auch von einem „Testcharakter“ die Rede. Das heißt, was hier mit dem regionalen Blick besprochen wird, muss nicht regional bleiben. Man muss sich ansehen, wie sich die Konzepte darstellen, wenn man sie in eine andere Realität, in eine andere Kultur oder Rechtsordnung überträgt. Es wird also Auswirkungen jenseits von Amazonien geben – und das ist auch so gewollt.
Unterschiedlich ist freilich die Schwerpunktsetzung: Das Arbeitsdokument spricht von Klima- und Umweltschutz, dem Schutz der indigenen Völker und über Seelsorge. Die in Europa im Zentrum stehenden Fragen des Zölibats und der Ämter für Frauen sind da nur ein Teilbereich. Sind europäische Enttäuschungen erwartbar?
Hagenkord: Auf jeden Fall. Ich war eben selbst zwei Wochen in Amazonien unterwegs. Natürlich stellt man sich dort Fragen rund um den Priestermangel, der aber anders aussieht als bei uns. Ich war in einer Diözese, die halb so groß ist wie Deutschland und 21 Priester hat. Wenn auf der Synode über den Zugang der Menschen zur Eucharistie debattiert wird, dann vor dem Hintergrund in Amazonien. Wir können in dieser Diskussion nicht unsere europäischen Fragen wie Sexualmoral, Macht und Autorität diskutieren, sondern es geht um Antworten für die Menschen in Amazonien. Dort wirft man den Europäern oder Nordamerikanern bereits einen neuen Kolonialismus vor – nämlich, dass man die Amazonien-Synode benutzen will, um europäische Probleme zu thematisieren. Wir müssen erst den Menschen, für die diese Synode bestimmt ist, zuhören. Erst danach können wir unsere Probleme in diesem Licht angehen.
Der Vatikan hat die Erwartungen beim Thema Zölibat und Frauen in der Kirche gedämpft. Dennoch gibt es Europäer, die Durchbrüche erhoffen. Was erwarten Sie?
Hagenkord: Es ist schwierig, wenn Erwartungshaltungen nach dem Motto „Es ist nur ein Erfolg, wenn ...“ gebildet werden. Bei den Fragen zum Thema einer möglichen Priesterweihe für ältere, verheiratete Familienväter ist das Arbeitsdokument sehr zurückhaltend und zielt auf ganz konkrete Situationen ab. Und Papst Franziskus hat selbst gesagt, dass es unter ihm keine generelle Abschaffung des Zölibats oder eine Lösung mit Wahlmöglichkeit geben werde. Die Probleme der Seelsorge in Amazonien kann man zudem nicht auf die Frage „Zölibat ja oder nein“ reduzieren.
Die Synode soll diskutieren, im Letzten wird der Papst Entscheidungen fällen, wenn er das für richtig hält. Kritiker sagen, Franziskus rede viel, handle aber wenig, insbesondere beim Thema Kirchenreform. Halten Sie das für gerecht?
Hagenkord: Nein. Manche Dinge kann man mit einer Änderung der Strukturen erreichen, für andere braucht es eine Haltungsänderung, weil sie die Menschen selbst wollen müssen. Daran arbeitet der Papst, indem er versucht, Menschen aufzurütteln und zu motivieren. Es stimmt, dass er nicht alle paar Monate einen neuen Reformschritt macht. Aber wir dürfen nicht vergessen: All die Dinge, die er angeblich nicht schafft, hatte er selbst nie vor. Das sind Sachen, die von außen an ihn herangetragen wurden. Wenn jetzt in Publikationen bestimmte Reformen als gescheitert bezeichnet werden, muss man sagen: Der Papst wollte sie ja auch nicht.
Welchen Eindruck haben Sie auf Ihrer Reise nach Amazonien gewonnen: Ist das eine ganz andere Welt, die kaum etwas mit uns zu tun hat? Oder geht sie uns – Stichwort Globalisierung – doch etwas an?
Hagenkord: Wir müssen zwei Abgründe vermeiden: Erstens sollten wir verschiedene Realitäten nicht gleichmachen, wenn sie das nicht sind. Die indigenen Völker in Amazonien leben ganz anders als wir und haben andere Vorstellungen von Zukunft und Wohlstand. Zweitens dürfen wir ihre Themen nicht als so exotisch abtun, dass sie uns nicht zu interessieren bräuchten: Diese Menschen leben in Kontakt mit uns und vor allem zerstört unsere Welt ihre Welt. Wir wollen Aluminium für unsere Autos. Aber für die Gewinnung des Rohstoffs Bauxit sind in ganz Brasilien 100 Wasserkraftwerke mit Staudämmen geplant. Das lässt sich nicht trennen. Im Übrigen sind wir eine Kirche. Deshalb ist es gut, dass bei dieser Synode über Amazonien gesprochen wird und wir überlegen können, was das mit uns zu tun hat.
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