Wort zum Sonntag
Kleine Plättchen glitzern in der Sonne. Der Junge, der sie in Händen hält, ist einer von vielen Kindern, die beim Abbau des Minerals in den Minen im Süden des ostafrikanischen Inselstaates Madagaskar unter ausbeuterischen Bedingungen schuften.
Mica – auf deutsch Glimmer – ist der Name des weltweit begehrten Rohstoffs, der in großen Mengen in Indien und auch auf Madagaskar abgebaut wird. Der Inselstaat exportiert mehr als 1500 Tonnen Mica pro Jahr vor allem nach China. Enthalten ist das glitzernde Mineral u. a. in Kosmetikprodukten wie Lidschatten, Lippenstiften und Duschgels, in Farben und Lacken für Autos und Flugzeuge, in Baustoffen und wegen seiner isolierenden Eigenschaften in Elektro- und Haushaltsgeräten wie Computern und Toastern.
Auf der Insel gibt es 176 Mica-Minen, die meisten davon sind illegal. „20.000 Menschen arbeiten dort, darunter viele Kinder“, erzählt Christoph Lehermayr, Missio-Mitarbeiter und allewelt-Chefredakteur.
Gemeinsam mit Missio-Projektpartner Père Christian, einem Pfarrer der madagassischen Diözese Ihosy, ist er kürzlich zu einer der abgelegenen Minen aufgebrochen. „Père Christian war schon öfter dort. Nach sieben Stunden Fahrt durch die Savanne sind wir schließlich angekommen und ich war erschüttert.
Mitten im Nirgendwo, an einem Ort ohne Namen, fern der Zivilisation, ohne Handynetz, standen plötzlich kleine, selbstgebaute Hütten aus Bambus und Schilf – die Behausungen der Menschen, die sich rund um einen Minenkomplex angesiedelt haben, um dort nach Mica zu schürfen“, sagt Christoph Lehermayr. Die Menschen tun das, um zu überleben, weil sie kaum andere Lebensperspektiven haben. Das Mica liefert ihnen ein Einkommen.
Madagaskar ist geprägt von großer Armut. Von den rund 30 Millionen Einwohnern hat jeder zweite keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, acht von zehn Menschen leiden an Hunger, jeder Vierte ist Analphabet.
Ursprünglich sind es alte Mica-Minen, die von den Franzosen (Madagaskar war französische Kolonie) eingerichtet worden sind und mit der Unabhängigkeit Madagaskars 1960 von Frankreich wieder aufgelöst wurden, erzählt der Missio-Mitarbeiter.
„Aber das Mica ist noch da und die Menschen sind so bitterarm, dass sie aus verschiedenen Regionen und Dörfern der Insel dorthin aufgebrochen sind, um diese Schächte wieder in Betrieb zu nehmen und nach diesem Mineral zu graben – mit Schaufeln, Brecheisen, zum Teil mit bloßen Händen. Immer wieder kommt es auch zu Todesfällen, wenn Schächte einstürzen.“
Um einen Eindruck zu bekommen, wie die Menschen in den Minen arbeiten, hat sich Christoph Lehermayr selbst kurz in den Untergrund begeben. „Dort ist es heiß und stickig. Männer und Burschen im Teenageralter schlagen das Mica raus, das dann nach oben transportiert und in einem weiteren Arbeitsschritt gesiebt wird. Diese Aufgabe übernehmen Frauen und zum Teil fünf- bis siebenjährige Kinder, die auch Säcke mit dem Mineral füllen und schleppen.“
Die Versorgung der Menschen funktioniert Großteils über LKWs, die das Mica abholen. Das bisschen Reis, das die Familien anbauen, und die Fische aus dem nahegelegenen Fluss reichen nicht, um den Hunger zu stillen.
„Das heißt, der Laster bringt Nahrungsmittel und andere Produkte, und der Händler verkauft sie den Menschen zu völlig überteuerten Preisen, so dass der Ertrag für das Mineral dann schon fast wieder weg ist“, berichtet Lehermayr. Umgerechnet gibt es fünf Cent für ein Kilo Mica. Verkauft wird der verarbeitete Rohstoff schließlich in China um 12 Euro. Von dort kommt er in die ganze Welt, auch nach Europa.
„Die Leute sind arm, völlig auf sich allein gestellt, haben wegen des fehlenden Handynetzes keine Verbindung zur Außenwelt, sind der Versorgung mit dem LKW ausgeliefert, werden ausgebeutet. Im Grunde ist es ein Gefängnis ohne Zaun und Wärter“, sagt Lehermayr.
Père Christian und sein Team in der Diözese Ihosy haben Pläne, um den Menschen zu helfen und ihr Leid zu lindern. Gemeinsam mit Missio Österreich wurden folgende Projekte ausgearbeitet, die nun mit Hilfe von Spendengeldern umgesetzt werden: der Bau einer Schule für die Kinder der Minenarbeiter:innen; Ausbildungskurse für jene, die der Arbeit in den Minen entkommen möchten; die Errichtung eines Brunnens mit sauberem Trinkwasser und der Bau von Latrinen, um die hygienische Lage zu verbessern; medizinische Versorgung für schwangere Frauen und Kranke, die u. a. an Durchfall, Krätze und Atemwegserkrankungen leiden. Es gibt also Licht am Ende des Tunnels.
Jedes Jahr sammelt die katholische Kirche am Weltmissions-Sonntag weltweit Spenden für die ärmsten Diözesen in den Ländern des globalen Südens. Auch in Österreich begehen die katholischen Pfarren den Tag traditionell am vorletzten Sonntag im Oktober (heuer am 20. 10.), dem Monat der Weltmission. Schwerpunktland der Päpstlichen Missionswerke Österreich (Missio) im Zeichen der Solidarität mit den Ärmsten der Armen ist dieses Jahr der Inselstaat Madagaskar.
Unterstützt werden u. a. Schulprojekte für Minenkinder . Gesammelt wird auch für das Öko-Projekt des Hilfswerks „Vozama“ auf Madagaskar. Von den einst 90 Prozent Waldfläche auf der Insel sind wegen massiver Rodungen heute nur noch zehn Prozent vorhanden.
Um wieder ein gesundes Gleichgewicht in der Natur zu schaffen, forstet „Vozama“ große Flächen wieder auf. Sie betreiben Baumschulen in Dörfern, ziehen Setzlinge heran und schaffen auch bei den Schulkindern das Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur.
Infos: www.missio.at
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