Wort zum Sonntag
Dort wird sie mit einem täglichen Gottesdienst begangen. Der Krieg in Gaza war bei den Gebeten stets gegenwärtig.
Allein in und auf der Grabeskirche von Jerusalem beten und leben Mönche von sechs verschiedenen Kirchen. Jerusalem ist ein Eldorado der Konfessionen. Zählt man nicht nur die orientalischen und orthodoxen Kirchen, sondern nimmt die der Reformation dazu, kommt man auf deutlich mehr als zwanzig unterschiedliche, getrennte Glaubensgemeinschaften. Da ist es nachvollziehbar, dass in Jerusalem dem Gebet um die Einheit der Christen ein besonderer Stellenwert zukommt.
Gebet um die Einheit der Christen im Abendmahlssaal
Darum trafen sich auch heuer wieder täglich – von 20. bis 28. Jänner 2024 – Christ:innen in sieben Kirchen der Stadt und im Abendmahlssaal, um für die Einheit zu beten. Selbst die griechisch-orthodoxe Kirche des Heiligen Landes, die ein gemeinsames Gebet mit anderen Konfessionen ablehnt, hat die ökumenische Gemeinschaft, die in der Weltgebetswoche von Gotteshaus zu Gotteshaus gezogen ist, zu einer Agape in einen Empfangsraum in der Grabeskirche eingeladen.
Als Zeichen der Wertschätzung haben sie auch ihre Schatzkammer zur Besichtigung geöffnet. „Man hat schon den Eindruck, dass die Gewalt und der Krieg in Gaza die Christen zusammenrücken lassen“, betont Andreas Paul.
Der Theologe ist Vorstandsmitglied im Internationalen Versöhnungsbund/Sektion Österreich und unterstützt seit mehr als zwei Jahrzehnten Menschen in Israel und Palästina, die sich für Frieden und Versöhnung engagieren.
Mit der Reise zur Weltgebetswoche hat er gemeinsam mit einer Handvoll Mitreisender ein Zeichen gesetzt, dass vor Ort sehr positiv aufgenommen wurde. „Danke, dass ihr den Mut hattet, nicht nur aus der Ferne zur Solidarität aufzurufen, sondern dass ihr selbst gekommen seid. Ihr lebt Solidarität, die etwas kostet“, war die Rückmeldung, die er mehrmals von Gesprächspartnern bekommen hat.
Die Zeit zwischen den täglichen Gebetszeiten am Abend hat Andreas Paul zu Begegnungen genützt, allen voran mit Sr. Juliana Baldinger. Die Sionsschwester lebt in En Kerem, ein dörflich strukturiertes jüdisches Viertel am Stadtrand von Jerusalem. Dort leitet sie das internationale Noviziat ihres Ordens. Aktuell bereiten sich zwei junge Frauen, Nadia aus Ägypten und Chrystal von den Philippinen auf die Gelübde im April 2024 vor.
„Sr. Juliana erlebt durch ihren Wohnort die Betroffenheit der jüdisch-israelischen Bevölkerung, aber natürlich nimmt sie auch das Leid der Menschen in Gaza wahr“, erklärt Andreas Paul die Situation von Sr. Juliana.
Zum Auftrag ihres Ordens, der „Schwestern unserer Lieben Frau von Sion“, gehören neben dem Engagement für die Kirche und dem Einsatz für eine gerechte Welt, die Verständigung mit dem Judentum und die jüdischen Wurzeln des Christentums sichtbar zu machen.
Eine Reihe von Sionsschwestern waren und sind Pionierinnen im Dialog mit dem Judentum wie Sr. Maureena Fritz. Die 90-jährige Ordensfrau erklärt bis heute den Novizinnen das Judentum mit Blick auf das Christentum. Das Gästehaus des Klosters ist ein beliebter Ort für israelische Gruppen, die einen Platz für Stille und Meditation suchen.
Andreas Paul hat während seines Heiliges Land Aufenthalts auch dreimal Betlehem besucht. Hat man sich „vor Corona“ bis zu drei Stunden angestellt, um in die Geburtsgrotte zu gelangen, war er diesmal allein dort, ebenso im Heiligen Grab in Jerusalem. „Bei aller Ratlosigkeit habe ich um den Frieden gebetet und mich gefragt: Wie kann Auferstehung zu neuem Leben geschehen?“
Besonders beschäftigt Andreas Paul auch ein Gespräch, das er mit Over Salzberg geführt hat. Der Anwalt, der in der Vermittlungsarbeit zwischen jüdischen und muslimischen Gruppen tätig ist, analysiert: „Der Großteil der Bevölkerung lebte im Glauben an die Verwaltbarkeit des Konflikts mit den Palästinensern, ohne dass Friedensbemühungen notwendig wären. Der 7. Oktober, der Tag des Massakers der Hamas, hat die Palästinafrage wieder ins Zentrum gerückt, aber ohne Perspektive auf eine Lösung.“
Rabbi Daniel Roth, ebenfalls in der Versöhnungsarbeit tätig, betont, dass man theologische Konzepte entwickeln müsse, die die besonders extremen Gruppen auf jüdischer und muslimischer Seite, zum Bespiel die national-religlösen Siedler und die Hamas dazu bringt, die jeweils anderen nicht vernichten zu wollen.
Der Rabbi wirbt für eine theologische Basis als schrittweisen Weg zum Frieden. Wie das zur Zeit, wo in Gaza Krieg herrscht und mehr als 100 Geiseln in der Hand der radikal-islamischen Terrororganisation Hamas sind, funktionieren soll, weiß niemand.
Andreas Paul zitiert einen Satz, den er bei seinen vergangenen Besuchen immer wieder zu hören bekommen hat: „Wir haben keinen Optimismus, aber wir müssen die Hoffnung aufrechthalten.“ Für ihn ist dieses Wort bittere Realität geworden: „So schwer wie jetzt war es noch nie, die Hoffnung nicht zu verlieren.“
Um den Geschäftspartnern seine Verbundenheit zu zeigen, war Andreas Kickinger, Geschäftsführer von Biblische Reisen Österreich, vergangene Woche in Jerusalem und Betlehem.
Andreas Kickinger, Geschäftsführer von Biblische Reisen Österreich in Betlehem
„Die heiligen Stätten sind beinahe menschenleer, aber überall spürte ich die Freude und Dankbarkeit, dass doch endlich wieder Besucher kommen“, berichtet Andreas Kickinger. Auch wenn es nur Einzelne sind. „Man soll aber nicht unterschätzen, wie bedeutsam den Menschen vor Ort dieses Zeichen der Solidarität ist“, meint Kickinger, dessen eigene Reise von den Partnern ebenfalls sehr wertgeschätzt wurde.
Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Pilgertourismus am Boden liegt und besonders die Menschen in Betlehem davon hart getroffen sind: „Etwas zugespitzt gesagt: Ganz Betlehem ist arbeitslos.“ Kickinger hat auch zwei soziale Werke, mit denen Biblische Reisen in Beziehung steht, besucht: „Sowohl im Caritas Baby Hospital als auch bei den argentinischen Schwestern von Hogar Niño Dios war ich ein herzlich willkommener erster Gast seit längerem.“
Die Feier des Aschenkreuzes in der neu renovierten Dormitio-Abtei sowie ein Besuch im Österreichischen Pilger-Hospiz rundeten einen positiv beeindruckenden Kurzbesuch im Heiligen Land ab, resümiert Kickinger. Mit Blick auf jene, die im Heiligen Land von den Pilgern leben, sagt er: „Niemand weiß, was politisch gesehen kommt, aber alle hoffen, dass zumindest Pilgerreisen wieder möglich werden.“
Allen, die an eine Pilgerfahrt „in besseren Zeiten“ denken, rät Andreas Kickinger, mit den Planungen dennoch jetzt zu beginnen, um für den „Tag danach“ gerüstet zu sein.
Wort zum Sonntag
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