Wort zum Sonntag
Schon alle bisherigen großen Papstschreiben ließen die Spiritualität von Papst Franziskus erkennen. Wahrgenommen wurden aber meist die anderen Anliegen: Umweltschutz, Familie, Kirchenreform, soziale Anliegen. In „Gaudete et exsultate“ rücken nun spirituelle Aspekte ins Zentrum.
Wer nun glaubt, dass dabei das praktische Leben zu kurz kommt, irrt sich: „Mein bescheidenes Ziel ist es, den Ruf zur Heiligkeit einmal mehr zum Klingen zu bringen“, schreibt der Papst. Zwar nennt er auch Beispiele von offiziell heilig- und seliggesprochenen Menschen. Aber er macht klar, dass es Heiligkeit im ganzen Gottesvolk gibt und spricht von der „Heiligkeit von nebenan“ – „in den Eltern, die ihre Kinder mit so viel Liebe erziehen, in den Männern und Frauen, die arbeiten, um das tägliche Brot nach Hause zu bringen, in den Kranken, in den älteren Ordensfrauen, die weiter lächeln“.
Zur Heiligkeit berufen seien alle, nicht nur Bischöfe, Priester und Ordensleute. Es sei sogar unmöglich, an die eigene Sendung auf Erden zu denken, „ohne sie als einen Weg zur Heiligkeit zu begreifen“. Für Verheiratete, Arbeiter, Eltern, Großeltern und Entscheidungsträger erklärt der Papst konkret, in welche Richtung der Weg zur Heiligkeit gehen kann. Er spricht dabei den Leser und die Leserin direkt an und warnt vor falschen Vorstellungen: „Es ist nicht gesund, die Stille zu lieben und die Begegnung mit anderen zu meiden, Ruhe zu wünschen und Aktivität abzulehnen, das Gebet zu suchen und den Dienst zu verachten. (...) Wir sind aufgerufen, die Kontemplation auch inmitten des Handelns zu leben, und wir heiligen uns in der verantwortlichen und großherzigen Ausübung der eigenen Sendung.“
Neben dem ersten Kapitel ist auch das dritte „praktisch“ angelegt: Anhand der Seligpreisungen des Evangeliums erläutert Franziskus, was Heiligkeit ausmacht, denn heilig zu sein bedeute nicht, „in einer vermeintlichen Ekstase die Augen zu verdrehen“. Der Papst nennt es einen Fehler, die Forderungen des Evangeliums ohne persönliche Beziehung zu Gott zu vertreten. Ebenso sei es ein Fehler, sich auf ethische Fragen wie die Verteidigung des ungeborenen Lebens (die dem Papst wichtig ist) zu beschränken, soziale Anliegen aber auszuklammern.
Besonders deutlich wird der Papst hier einmal mehr in Bezug auf Migrant/innen: „Oft hört man, dass angesichts des Relativismus und der Grenzen der heutigen Welt beispielsweise die Lage der Migranten eine weniger wichtige Angelegenheit wäre. Manche Katholiken behaupten, es sei ein nebensächliches Thema gegenüber den ‚ernsthaften‘ Themen der Bioethik. Dass ein um seinen Erfolg besorgter Politiker so etwas sagt, kann man verstehen, aber nicht ein Christ, zu dem nur die Haltung passt, sich in die Lage des Bruders und der Schwester zu versetzen, die ihr Leben riskieren, um ihren Kindern eine Zukunft zu bieten.“
Merkmale der Heiligkeit enthält das vierte Kapitel. Franziskus nennt Durchhaltevermögen, Geduld, Sanftmut, Freude und Sinn für Humor, Wagemut und Eifer, Gemeinschaft und das Gebet.
Weniger an die Allgemeinheit richtet sich das zweite Kapitel, das sich mit Gnostizismus und Pelagianismus auseinandersetzt. Das sind zwei Häresien, die Kardinal Christoph Schönborn als falsch verstandenes „Leistungschristentum“ bezeichnet. Im letzten (5.) Kapitel geht es um die Abwehr des Bösen. Das ist wörtlich gemeint: Der Papst spricht vom „personalen Wesen“ des Teufels, den man nicht zum Mythos erklären solle.
Wer freilich bisherige Texte von Papst Franziskus kennt, wird von der Warnung vor dem Satan nicht überrascht sein. Überhaupt enthält „Gaudete et exsultate“ manches, das schon in anderen Schriften und Reden des Papstes auftauchte. Dennoch bietet das neue Schreiben einen anderen Zugang: Es wird das geistige Band erkennbar, das die Elemente des Denkens von Papst Franziskus zusammenhält.
Zum Text des Papstscheibens: www.vatican.va
Ausgewählte Zitate aus „Gaudete et exsultate“
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