Wort zum Sonntag
Die Oberösterreicherinnen waren bei der Generalaudienz in Rom am 6. September 2006 nicht zu übersehen und schon gar nicht zu überhören: 1.200 Frauen in Goldhaubentracht waren zur Begegnung mit Papst Benedikt XVI. auf den Petersplatz gekommen. Die Ohlsdorfer Musikkapelle spielte bereits vor dem Beginn der Audienz auf der Tribüne. Papst Benedikt freute sich sichtlich über das schöne Bild, das die Wallfahrerinnen abgaben, erinnert sich Erna Putz.
Die Jägerstätter-Biografin und Teilnehmerin an der Wallfahrt nutzte die Gelegenheit, um Papst Benedikt auf den laufenden Seligsprechungsprozess für Franz Jägerstätter aufmerksam zu machen: „Alle 16 Oberösterreicher, die mit dem Papst reden konnten, baten ihn um die baldige Seligsprechung.“
Bischof Ludwig Schwarz legte zusätzlich die Bitte auch noch schriftlich dar. Er wies auf den 100. Geburtstag Jägerstätters im Jahr 2007 hin und dass es schön wäre, wenn seine betagte Frau dies noch erleben würde.
Dieses Schreiben beantwortete Papst Benedikt alsbald mit der Ankündigung, dass der Fall Jägerstätter auf die Agenda der nächsten Sitzung der entsprechenden Theologenkommission käme. Der Fall Jägerstätter wurde damit Tausenden anderen vorgezogen. Anfang Juni 2007 unterschrieb Papst Benedikt dann das Dekret zur Seligsprechung. Bemerkenswert ist die Begründung, die beim feierlichen Akt am 26. Oktober 2007 verlesen wurde, betont Erna Putz.
Dort heißt es: Franz Jägerstätter „hat sein Leben hingegeben in hochherziger Selbstverleugnung, mit aufrichtigem Gewissen und für die Würde der menschlichen Person“. Putz ist der Überzeugung, dass gegenwärtig der letzte Teil der Begründung – die Würde der Person – es wert ist, theologisch entfaltet zu werden: „Vielleicht ist 2023 im 80. Jahr nach dem Tod da etwas möglich. Wie sehr wird doch gegenwärtig die Würde der Menschen verletzt!“
Papst Benedikt XVI. war Oberösterreich auch durch seine Urlaube vertraut. Joseph Ratzingers Bruder, der Kirchenmusiker Georg, war mit dem Linzer Kirchenmusiker Hermann Kronsteiner befreundet.
Dieser konnte den beiden Ratzinger-Brüdern und deren Schwester im Petrinum ein zwar nur einfaches Quartier bieten, in dem aber ihre Privatsphäre geschützt war.
Denn schon das erste Mal im Jahr 1978 ist Joseph Ratzinger als Kardinal und Erzbischof von München gekommen, 1985 und 1991 als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom, als Nummer zwei der katholischen Kirche.
Josef Honeder, Direktor des Petrinums, hat den damaligen Kardinal Ratzinger als sehr aufmerksamen und bescheidenen Menschen in Erinnerung: „Er war sehr mitbrüderlich. Man hat aber gespürt, dass er eine herausragende Persönlichkeit war.“
Für Kultur und Natur wäre er sehr aufgeschlossen gewesen, erzählt Honeder: Ein gemeinsamer Ausflug zu dem berühmten Altar von St. Michael in Oberrauchenödt bei Freistadt und eine anschließende Wanderung entlang der Grenze hätten ihm sehr gefallen. Gewohnt haben die Ratzinger-Geschwister in den Einzelzimmern des Internats, die es für die Petriner der 8. Klasse schon gegeben hat. Bemerkenswert ist auch die Treue Joseph Ratzingers. Noch als Papst – bis 2009 – hat er an Josef Honeder über das Petrinum Weihnachtswünsche geschickt.
Urlaub und zugleich Arbeit am Katechismus: Kardinal Joseph Ratzinger (2. v. li.) im Sommer 1992 im Petrinum mit Bischof Maximilian Aichern (li.)
Ein Besuch Joseph Ratzingers in Oberösterreich ist nicht mehr zustande gekommen: 2005 wäre er auf der Referentenliste der Sommerakademie des Linzer Priesterkreises in Aigen im Mühlkreis gestanden. Nur war er im Sommer 2005 schon Papst.
„Ich war damals in die Vorbereitungen der Akadamie nicht eingebunden“, sagt Gerhard M. Wagner, Pfarrer von Windischgarsten, der selbst mehrmals bei dieser Akademie referiert hat. „Aber ja, grundsätzlich hatten wir Kontakt zum damaligen Kardinal Ratzinger. Ich persönlich hatte stets eine Beziehung zu seiner Botschaft. Als ich von seinem Tod hörte, hat mich das einerseits sehr betroffen gemacht: Seit Jahrzehnten schätze ich Benedikt XVI. als Theologen und seine Verkündigung war für mich immer wegweisend. Andererseits war er alt und krank – insofern ist es auch eine Erlösung, dass er nun beim Vater im Himmel ist“, sagt Wagner.
Der Priester weiß natürlich auch um die Konflikte, die es um Ratzinger/Benedikt XVI. gab. „Das hat mich immer gewundert und ich bin überzeugt, dass man ihm unrecht getan hat, als man ihn beispielsweise ‚Panzerkardinal‘ nannte. Sein Denken und sein Glauben waren sehr stringent, aber er hat mit den Leuten liebevoll, argumentativ und herzlich gesprochen.“ Jene, die im Konflikt mit Ratzinger standen, bitte er, dessen Botschaft anzunehmen: „Ich bin überzeugt, dass er in der Geschichte noch als großer geistlicher Mann erkennbar wird. Was von ihm bleiben wird, ist das Wort, das er verkündet hat. Aber es ist nicht nur seine Theologie, sondern auch sein Auftreten, seine Demut und Bescheidenheit, die weiterwirken werden. Denn im Grunde geht es darum, dass die Botschaft auch in Zukunft noch eine Chance hat.“
Der Theologe Martin Zellinger übergab im Mai 2007 Papst Benedikt XVI. bei einer Generalaudienz seinen Kommentar zum Markusevangelium. Dabei kam es zu einem Gespräch über den Zölibat.
Martin Zellinger stellte sich als Priester der Diözese Linz vor, der geheiratet habe und daher sein Amt nicht ausüben dürfe. Er war in Begleitung seiner Frau gekommen. Martin Zellinger betonte, dass aus seiner Sicht durch die Heirat seine Berufung zum Priesteramt nicht gelöscht sei.
Er wies Benedikt XVI. darauf hin, dass er als Papst die Chance habe, das Zölibatsgesetz zu ändern und er der Kirche damit neue Perspektiven eröffnen könne. Der Papst entgegnete, dass die Sache nicht so einfach sei. Martin Zellinger hatte den Eindruck, dass der Papst das heikle Thema nicht einfach wegschob, sondern dass es ihn durchaus ernstlich beschäftigte.
Vermutlich täuschte aber der Eindruck: Die Diözese erhielt die Rückmeldung, dass es sich nicht gehöre, den Papst bei einer Generalaudienz mit solchen Themen zu konfrontieren.
Hermine Eder, Leiterin der PR und Kommunikation der Katholischen Privat-Universität Linz, konnte am 5. Juni 2015 an einer Privataudienz des damals bereits emeritierten Papsts Benedikt XVI. teilnehmen.
Die Begegnung fand im Vatikan im Kloster Mater Ecclesiae statt, wo der emeritierte Papst seinen Wohnsitz hatte. Hermine Eder erzählt: „Ich habe ihm damals im Beisein von Erzbischof Georg Gänswein Grüße von Generalvikar Severin Lederhilger, Rektor Franz Gruber und Prorektor Ewald Volgger übermittelt und ihm die von Severin J. Lederhilger und Ewald Volgger herausgegebene Festschrift für Bischof Ludwig Schwarz ‚Contra spem sperare: Aspekte der Hoffnung‘ überreicht. Papst Benedikt hat sich sehr gefreut und zeigte sich auch sehr interessiert an unseren Studien an der Katholischen Privat-Universität. Die Audienz war ein zutiefst beeindruckendes, unvergessliches Erlebnis.“
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