Wort zum Sonntag
Konzentriert und sichtlich angespannt hat Papst Leo XIV. am Sonntag seine große Einführungsmesse im Petersdom und auf dem Petersplatz gefeiert. Zunächst stieg er, so wie es die Liturgie der Papsteinführungsmesse vorschreibt, zum Grab des Apostels Petrus unter dem Altar des Petersdom hinab. Schon bei diesem ersten Ritus wirkt er äußerst fokussiert und konzentriert.
Diese Haltung zieht sich durch den gesamten Gottesdienst. Und als der philippinische Kardinal Luis Tagle ihm zum Zeichen der Petrus-Nachfolge den Fischerring anlegt, kämpft er sichtlich mit seinen Emotionen. Er betrachtet den Ring und schluckt. Als die rund 150.000 Menschen auf dem Platz anschließend lange applaudieren, schließt er die Augen und schlägt sich die Hand auf seine Brust.
In seiner Predigt bringt Leo XIV. diese Haltung ins Wort und sagt: „Ich wurde ohne jegliches Verdienst ausgewählt und komme mit Furcht und Zittern zu euch ...“. Dass dies mehr ist als eine fromme Formel, haben zu diesem Zeitpunkt bereits viele auf dem Platz begriffen. Und dann benennt er – indirekt – einen Grund, warum das neue Amt eine große Herausforderung für ihn ist: Es ist die Zerstrittenheit innerhalb der Kirche und unter den Kirchen und den Religionsgemeinschaften, die ihn umtreibt.
Er sagt es so: „Ich würde mir wünschen, dass dies unser erstes großes Verlangen ist: eine geeinte Kirche, als Zeichen der Einheit und der Gemeinschaft, die zum Ferment einer versöhnten Welt wird.“ Damit greift er ein Thema auf, das die Kardinäle bei ihren Versammlungen vor dem Konklave mehrere Male offen angesprochen haben. Die Spannungen in der Kirche seien eine „offene Wunde“, so hieß es da wörtlich. Die vom neuen Papst ersehnte Einheit der Kirche ist die Antwort auf diese Diagnose, aber sie ist aus seiner Sicht kein Selbstzweck: Die Kirche muss geeint sein, um Einheit, Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit in einer Welt zu fördern, die voll ist von Zwietracht und „zu vielen Wunden, die durch Hass, Gewalt, Vorurteile, Angst vor dem Anderen und durch ein Wirtschaftsmodell verursacht werden, das die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt“.
In dieser zerrissenen Welt kann nur eine in ihrem Glauben geeinte Kirche segensreich wirken. Mit den Worten des Papstes: „In dem einen Christus sind wir eins. Und das ist der Weg, der gemeinsam zu gehen ist, innerhalb der Kirche, aber auch mit den christlichen Schwesterkirchen, mit denen, die andere religiöse Wege gehen, mit denen, die die Unruhe der Suche nach Gott in sich tragen, mit allen Frauen und Männern guten Willens, um eine neue Welt aufzubauen, in der der Friede herrscht. Dies ist der missionarische Geist, der uns beseelen muss, ohne dass wir uns in unserer kleinen Gruppe verschließen oder uns der Welt überlegen fühlen.“
Am Ende seiner Predigt sagte er: „Lasst uns im Licht und mit der Kraft des Heiligen Geistes an einer Kirche bauen, die auf der Liebe Gottes gegründet und ein Zeichen der Einheit ist, an einer missionarischen Kirche, die ihre Arme der Welt gegenüber öffnet, die das Wort verkündet, die sich von der Geschichte herausfordern lässt und die zum Sauerteig der Eintracht für die Menschheit wird. Gehen wir gemeinsam, als ein Volk, alle Brüder und Schwestern, auf Gott zu und lieben wir einander.“
Papst Leo XIV. umarmt seinen älteren Bruder Louis Prevost.
Kein höfliches Shakehands zwischen den Brüdern Prevost bei der Amtseinführung des neuen Papstes am Sonntag im Vatikan: Als Louis Prevost, der älteste der drei Prevost-Brüder aus Chicago, im eleganten Zweireiher auf seinen Bruder im Papstgewand zuging (er hatte sich in die offizielle US-Delegation gesellt) und ihm die Hand entgegenstreckte, kannte der Jüngere kein Halten mehr.
Er umarmte Louis herzlich und ließ sich dabei von ihm kräftig auf den Rücken klopfen. Das italienische Fernsehen Rai Uno zeigte die berührende Szene, die sich im Petersdom abspielte.
Zuvor hatte John, der zweitälteste der Prevost-Brüder, laut Medienberichten seinen prominenten Bruder Robert bereits in den Vortagen an dessen Wohnsitz am Rande des Vatikans besucht.
Staatliche Delegationen aus aller Welt waren zur Amtseinführung von Leo XIV. gekommen, darunter der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Vizepräsident James David Vance und Außenminister Marco Rubio aus den USA sowie die peruanische Staatspräsidentin Dina Boluarte. Aus Österreich nach Rom gereist waren u. a. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) und Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ). Die Österreichische Bischofskonferenz wurde durch ihren Vorsitzenden Erzbischof Franz Lackner (Salzburg) und den Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl vertreten.
Wort zum Sonntag
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