Wort zum Sonntag
Alle nennen sie Mama Chiku. Nicht nur ihre fünf Kinder und zehn Enkelkinder, auch die jüngeren Frauen im Dorf. Die 64-Jährige ist ihr Vorbild. Chiku Mohammed lebt in Olkokola in der Region Arusha im Nordosten Tansanias. Sie war eines der ersten Mitglieder der lokalen „Energiespargruppe“. Die von ihr gebauten Zementöfen sind ihr ganzer Stolz. Das Know-how dafür kam von WODSTA, einer Organisation, die Entwicklung, Forschung und Technologien fördert. Die Schlüsselrolle dabei spielen Frauen.
In einem großen Topf kochen die Bohnen vor sich hin. „Sie sind bald fertig“, stellt Mama Chiku beim Umrühren fest. Sie kocht jeden Tag: für ihren bald 85-jährigen Mann und die fünf Enkelkinder, die bei ihnen im Haus wohnen. Neben Reis und Bohnen kommt vor allem Ugali, ein Getreidebrei aus Maismehl, auf den Tisch. Mit dem Zementofen gehe es beinah wie von Zauberhand. „Er heizt schneller und regelmäßiger. Früher verbrannte das Essen oft. Es entwickelt sich auch weniger Rauch. Außerdem brauche ich so gut wie kein Holz mehr.“ Chiku Mohammed berichtet, dass sie den Energiesparofen hauptsächlich mit Briketts befeuert, und die stellt sie aus Altpapier und Kohle ebenfalls selbst her. Mit ihrer neu gewonnenen Fertigkeit des Ofenbaus möchte die vielfache Großmutter ein kleines Geschäft aufziehen. Fünf Öfen zu je 15.000 Tansania Schilling, das sind gut sechs Euro, habe sie bereits verkauft. Zwei weitere Exemplare seien schon fertig und können noch an die Frau gebracht werden. Nach Abzug der Ausgaben für den Zement ist der Gewinn derzeit noch überschaubar. Doch für Mama Chiku, die jeden Schilling umdrehen muss, ist es trotzdem eine unschätzbare Aufbesserung ihres Haushaltsbudgets.
In Tansania, einem Land, das gut elf Mal so groß ist wie Österreich, leben 57 Millionen Menschen, 80 Prozent davon auf dem Land. Nur ein Bruchteil hat fließendes Wasser und elektrischen Strom, deshalb wird meist auf offenem Feuer mit Holz, Kerosin oder Holzkohle gekocht. Die Frauen atmen ständig Rauch ein. Chronische Bronchitis und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Folgen. Immer wieder stolpern Kleinkinder ins Feuer und ziehen sich schwere Verbrennungen zu. Die herkömmlichen Drei-Steine-Kochstellen schaden auch der Umwelt, weil das Feuer mit Kohlendioxid und Ruß zwei starke Klimatreiber in die Luft trägt. Ein weiteres Problem ist die Abholzung der Wälder, um den immensen Brennholzverbrauch zu decken.
Die von WODSTA ins Spiel gebrachte Lösung ist eigentlich simpel: Energiesparöfen, die kaum mehr qualmen, damit weniger Schadstoffe freisetzen und den Feuerholzverbrauch drastisch senken. Die „Women Development for Science and Technology Association“, kurz WODSTA, verbreitet ihre Mission von erneuerbaren Energien und energiesparenden Technologien in den Dörfern rund um Arusha. Dabei legt sie den Wandel in die Hände der Frauen. Generalsekretärin Lyne Ukio: „In unseren Workshops geht es um erneuerbare Energie und den Klimawandel. Die Frauen lernen, Zementöfen zu bauen.“ Teil der Schulungen sei es zudem, mit den Frauengruppen Setzlingsbeete anzulegen. Ukio wird nicht müde in diesem Zusammenhang folgendes Motto zu wiederholen: „Bevor du einen Baum fällst, pflanze einen neuen.“ Zum Konzept von WODSTA gehört es auch, dass die Frauen ihre Erfahrungen als Trainerinnen an Nachbarinnen oder Verwandte weitergeben. Für Lyne Ukio ist dieses Verbreiten von Wissen an der Basis das Entscheidende, um eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben.
Dass die Frauen mit den Energiesparöfen und dem Bäumepflanzen ihren Beitrag zu einer längst fälligen Strategie gegen den Klimawandel leisten, unterstreicht Jackson Muro. Der Experte für Klimafragen und Geschäftsführer einer Entwicklungsorganisation in Tansania stellt klar fest: „Wir müssen die Frauen vorwärts bringen.“ Schließlich seien sie die Hauptbetroffenen der Wetterextreme wie den zunehmenden Dürren. „Sie sind es, die zurückbleiben, wenn die Männer weggehen, um etwa in einer der Minen zu arbeiten. Die Frauen sind dann alleine für die Tiere, das Feld und die Kinder verantwortlich. Der Haken: Das Land, ihre wichtigste Ressource zum Überleben, gehört ihnen meist nicht. Dabei haben sie Rechte. Es gibt Gesetze. Darüber klären wir sie auf.“
Eine, die um ihre Stärken und Fähigkeiten weiß, ist Gladness Elibariki. „Seit den Trainings mit WODSTA und den Treffen mit den anderen Frauen traue ich mir mehr zu.“ Die 43-Jährige ist sogar zur Erfinderin geworden. Aus der Not heraus hat sie eine „Light-Variante“ des Zementofens entwickelt. „Als Bauern haben wir nur ein sehr kleines Einkommen. Es reicht schon kaum dafür, um die Schulbücher für die Kinder zu zahlen“, erklärt die vierfache Mutter. Den Zement für den Ofen müsste sie im nächsten größeren Dorf kaufen. „Das ist weit weg. Außerdem ist Zement schwer zu transportieren.“ Gladness überlegte und kam auf ein Material, das sich vor ihrer Haustür befindet: Lehm. Daraus stellt sie jetzt die Öfen her. „Das ist billiger. Die Frauen in der Umgebung sind schon sehr interessiert. Wenn mich jemand fragt, komme ich und zeige, wie es geht. Ich bin dankbar für das, was ich bisher erreicht habe und möchte mein Wissen nicht für mich behalten, sondern weitergeben.“ Ihren Kindern sage sie immer wieder, wie wichtig die Schule sei. „Sie sollen lernen, dann können sie ihre Träume verwirklichen. Und wenn sie später eine gute Arbeit finden, sind sie in der Lage mich zu unterstützen.“ Das Nesthäkchen der Familie, die siebenjährige Nema, hört aufmerksam zu als ihre Mutter erzählt. In etwas größerer Entfernung stehen einige Männer aus dem Dorf und beobachten die Szene. Auf die Frage, wie sie mit dem neuen Selbstbewusstsein ihrer Frauen umgehen, kommt keine direkte Antwort. Doch zu den Energiesparöfen haben sie eine deutliche Meinung: „Das ist eine gute Sache. Damit geht das Kochen schneller und die Frauen haben mehr Zeit für andere Arbeiten.“
Die kfb unterstützt WODSTA seit sieben Jahren. Seither wurden Frauen aus sechs Dörfern ausgebildet, die nun selbst Energiesparöfen produzieren und gewinnbringend verkaufen. Zudem baut WODSTA mit ihren Mitgliedern Öfen, Solaranlagen und Biogasanlagen für Schulen und Gesundheitszentren.
Seit der Gründung in den 90er Jahren hat die Organisation schon zigtausende Frauen erreicht. „Mit unseren Programmen wollen wir die Situation von Frauen und Mädchen in Tansania verbessern. Wir möchten sie stolz sehen. Sie sollen selbstbewusst auf ihren eigenen Beinen stehen, Grund und Boden besitzen dürfen und Geld verdienen. Sie sollen ,Anführerinnen‘ werden und keine Angst haben, ihren Standpunkt zu vertreten“, betont Lyne Ukio.
Mama Chiku und Gladness Elibariki sind zwei Frauen, die heute ihre eigenen Entscheidungen treffen und die sagen: „WODSTA hat mein Leben verändert.“ «
Verstehen sich: Maasai-Frau und WODSTA-Mitglied Jasinta Loi und Petra Unterberger, stellvertretende Vorsitzende der kfb Österreich.
„Es ist beeindruckend wie sich die Frauen auf die Workshops von WODSTA einlassen und wie sich das auf ihr Selbstwertgefühl auswirkt. Sie nützen die Möglichkeit der Teilhabe und bauen an einer besseren Zukunft für ihre Kinder mit“, freut sich Petra Unterberger. Die Tirolerin ist stellvertretende Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreich und überzeugte sich vor kurzem vor Ort, wie die Aktion Familienfasttag dank WODSTA Frauenleben in Tansania verändert. Sie habe auch erlebt, wie der Klimawandel den Alltag der Menschen beeinflusst. „Wir brauchen einen Wandel, hin zu mehr Achtsamkeit der Natur – und zwar global.“
Die Katholische Frauenbewegung Österreich (kfbö) unterstützt seit mehr als 60 Jahren aus Spenden an die Aktion Familienfasttag Partner/innen in Asien, Lateinamerika und Afrika. Heuer lautet das Jahresthema: „Wandel wagen! Gemeinsam für eine Zukunft aus eigener Kraft“. Die Partnerorganisation WODSTA in Tansania bringt zum Beispiel mit wenigen Mitteln große Veränderungen in Gang. Das erfolgreiche Rezept: Frauen zu Expertinnen von erneuerbarer Energie ausbilden.
- Weitere Infos unter: www.teilen.at
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