Wort zum Sonntag
Der Theologe und Historiker Helmut Wagner erklärt Hintergründe zur Biografie des Bischofs.
Welche Verdienste von Bischof Gföllner waren ausschlaggebend, dass die Stadt Linz 1956 eine Straße nach ihm benannte?
Helmut Wagner: Mit der Gföllnerstraße sollte das caritative Wirken des Linzer Bischofs gewürdigt werden. Dass man 66 Jahre später aber die Kriterien ändert, die zu dieser Ehrung geführt haben, ist natürlich ein außergewöhnlicher Vorgang. Ohne sich mit der damaligen Begründung auseinanderzusetzen, eine Umbenennung der Straße zu fordern, ist zunächst nicht logisch.
Alle 566 Straßen, die nach Personen benannt sind, wurden von der Kommission analysiert. Wie kommt es, dass Bischof Gföllner zu jenen vier von 64 problematischen Personen zählt, die am meisten belastet sind?
Wagner: Das bleibt für mich eine offene Frage. Denn die Abgrenzung zwischen Personen der Kategorie 1 mit den gravierendsten Fällen und Kategorie 2 erschließt sich für mich nicht. Für mich würde der deutschnationale Antisemit Franz Dinghofer ebenso in die erste Kategorie gehören wie Heinrich Gleißner, der die Demokratie in der Zwischenkriegszeit entscheidend geschwächt hat. Denn das waren ja die beiden zentralen Kriterien der Kommission: zu untersuchen, wie sehr sich die Menschen, nach denen Straßen benannt sind, ausdrücklich antidemokratisch positioniert und autoritäre Systeme gefördert haben. Dasselbe gilt für den Antisemitismus.
Was trifft auf Bischof Gföllner zu?
Wagner: Gföllner, der als Bischof noch vom Kaiser ernannt wurde, hatte nie ein positives Verhältnis zur Demokratie. Indem er den Vorsitzenden des Katholischen Volksvereins zum Rücktritt zwang, trug der Bischof wesentlich zur Bedeutungslosigkeit der Christlich-sozialen Partei in Oberösterreich bei und hat die Demokratie im Schicksalsjahr 1933 entscheidend geschwächt.
Und was ist mit dem Antisemitismus Gföllners?
Wagner: Die einzelnen Zitate Gföllners, die der Untersuchungsbericht anführt, stimmen, aber die Bewertung ist falsch. Gföllner steht in der unseligen Tradition des Antisemitismus, wie er in der Kirche seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und in breiten Gesellschaftsschichten leider gang und gäbe war. Gföllner ragt mit seinem Antisemitismus nicht heraus, eher das Gegenteil ist der Fall. Er setzt in seinem Hirtenbrief ein explizites Signal gegen den Rassenantisemitismus der Nationalsozialisten. Mir ist nicht ganz klar, ob man mit der Beurteilung Gföllners nicht die ganze Kirche meint: wenn ja, hieße das, dass an Gföllner ein Exempel statuiert wurde.
Wie soll es mit der Gföllnerstraße weitergehen?
Wagner: Wenn man die Straßennamen nach dem Kriterium der Förderung der Demokratie beurteilt, kann es keine Gföllnerstraße geben. Bezüglich des Antisemitismus könnte die Debatte um die Person Gföllners eine breite Diskussion über den Antisemitismus anstoßen. Wichtig scheint mir, dass die Kommission nicht nur für das Taferl-Abmontieren sorgt, sondern für eine Auseinandersetzung, die möglichst viele Menschen miteinbezieht. «
Die Diözese Linz bekennt sich zu einer lebendigen und aufrichtigen Erinnerungskultur. Sie hat sich bereits ausgiebig mit der Person Bischof Johannes Maria Gföllners beschäftigt und wird dies – vor allem auch angesichts des vorliegenden Gutachtens im Rahmen des Berichts der Linzer Straßennamenkommission – weiter vertiefen. [...]
Eine allfällige Umbenennung der Gföllnerstraße obliegt der Stadt Linz. Aus Sicht der Diözese Linz können dem keine maßgeblichen Gründe entgegengesetzt werden, auch wenn die Straßenbenennung in den 1960er Jahren mit dem caritativen Engagement Bischof Gföllners begründet wurde und explizit nicht aufgrund dessen politischer Einstellung erfolgte.
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