Wort zum Sonntag
Sie sind als Festivalseelsorgerin bei der Diözese Linz angestellt. Waren Sie als Jugendliche auch viel auf Festivals?
Victoria König: Ich war als 16-Jährige im Jahr 2008 auf dem ersten Festival und seither fast jeden Sommer auf mehreren Festivals unterwegs.
Was motiviert Sie, als Festivalseelsorgerin zu arbeiten?
König: Ich mag Festivals, bin gern unter Leuten und quatsche gern mit Leuten. Da ist diese Arbeit die ideale Kombination.
Gibt es eine spezielle Ausbildung für diejenigen, die Festivalseelsorger:innen werden wollen?
König: Ja, wir haben Ausbildungen speziell für Ehren- und Hauptamtliche. Wir haben zum Beispiel Anfang April ein Ausbildungswochenende veranstaltet, das hat sich hauptsächlich an Leute gerichtet, die noch nicht so viel Erfahrung im Seelsorgebereich haben. Da haben wir 27 Personen ausgebildet. Der Bedarf ist groß, heuer werden auf den Festivals 140 Leute im Einsatz sein.
Diese Form der Seelsorge boomt also richtig. Ist der Gesprächsbedarf auf den Festivals aber tatsächlich so hoch?
König: Also die Leute stehen jetzt nicht Schlange oder so und man hat zwischendurch auch mal ein paar Minuten, wo man verschnaufen kann, aber kaum ist der Sessel mal frei, setzt sich bald wieder wer anderer her. Die Gespräche dauern dabei zwischen wenigen Minuten bis zu über einer Stunde.
Wie kommt man auf den Festivals in Kontakt mit den Besucher:innen?
König: Zum einen haben wir Plakatständer am Festival, auf denen die Einladung draufsteht: „Erzähl mir was, ich hör dir zu.“ Meistens stehen wir entweder am Stehtisch und da stellen sich Leute dazu oder wir setzen uns auf einen Sessel und haben links und rechts von uns leere Liegestühle oder Sessel. Die Leute kommen oft direkt auf uns zu und fragen, ob sie uns irgendwas erzählen können.
Manche Leute checken dich zuerst einmal ab und stellen so ganz zufällige Fragen. Zuerst redest du ein bisschen über das Festival und dann – so schnell kannst du gar nicht schauen – eröffnen sie dir irgendwie ihr ganzes Leben. Natürlich sind manchmal auch oberflächliche Gespräche dabei, das ist genauso okay.
Was sind die Hauptgesprächsthemen?
König: Probleme in der Familie, Probleme in der Beziehung, Trennungen. Beim Donauinselfest in Wien haben wir tatsächlich ein paar Leute gehabt, die uns gegenüber Suizidgedanken geäußert haben. Das waren dann wirklich sehr lange und intensive Gespräche.
Mein Kollege Florian Baumgartner erzählt auch von Festivals am Land wie dem „Woodstock der Blasmusik“, wo immer wieder Feuerwehrmänner zur Seelsorge kommen, die Bilder von Einsätzen nicht aus dem Kopf kriegen.
Wie geht ihr damit um, wenn Leute mit gravierenden Problemen kommen?
König: Wir fragen in erster Linie eigentlich nur: Was braucht die Person jetzt konkret in der Situation, warum wendet sie sich an uns, warum erzählt sie uns das jetzt, wie können wir jetzt gerade in der Situation helfen? Wenn nötig verweisen wir weiter und tragen dazu bei, dass sie zu der Hilfe kommt, die sie benötigt.
Die Leute kommen für die Musik und zum Feiern zu den Festivals. Wieso kommen gerade da bei manchen die Probleme hoch?
König: Es ist immer so eine besondere Situation, herausgehoben aus dem Alltag. Dann denkt man, allen herum geht es irgendwie supergut und bei einem selbst schaut es doch anders aus. Alkohol ist natürlich auch ein Thema, das führt bei manchen dazu, dass sie sensibler für ihre Probleme sind oder auch einfach gesprächiger werden.
Welche Rolle spielen Kirchen- und Glaubensthemen?
König: Eine der ersten Fragen ist manchmal: Wer seid ihr, seid ihr von der Kirche? Eher selten geht es wirklich um Glaubensthemen, aber das kommt schon auch vor. Ich habe erst vor Kurzem ein Gespräch gehabt, wo wir vom Reden über den Sündenfall zu den persönlichen Problemen meines Gegenübers gekommen sind.
Können Sie für den normalen Arbeitsalltag als Seelsorgerin etwas mitnehmen?
König: Also für meinen normalen Arbeitsalltag nehme ich einfach ganz viel Energie mit. Selbst wenn man gerade keine Gespräche hat und einfach nur offen und aufmerksam dasitzt oder dasteht, ist es ein gutes Gefühl, an diesem Ort als Seelsorgerin zu sein. Mir gefällt es, wenn Leute, die vorbeigehen, einen voll angrinsen, den Daumen in die Höhe zeigen und uns sagen: „Cool, dass ihr da seid.“ Das bringt einfach so viel an Motivation.
Wieso, denken Sie, setzen die Festivalveranstalter verstärkt auf Seelsorgerinnen und Seelsorger?
König: Die Veranstalter haben erkannt, dass es wichtig ist, dass sich die Leute rundum wohlfühlen, und dazu mehr gehört als gute Musik, saubere Klos und genug zum Essen. Dazu leisten wir einen wichtigen Beitrag, weil wir die Stimmung der Leute wahrnehmen. Wir haben ein offenes Ohr, wenn sich Leute bedrängt oder diskriminiert fühlen, und arbeiten dabei auch mit anderen Organisationen zusammen.
Am Donauinselfest im Juni haben wir zum Beispiel ein Pickerl getragen, auf dem draufstand: „Ich bin dein Rettungsanker“, und die Leute haben gewusst, dass sie auf uns zukommen können, wenn sie gerade in einer komischen Situation stecken.
Bei den „Lido Sounds“ in Linz und bei „Woodstock der Blasmusik“ in Ort im Innkreis mit zusammen 170.000 Besucher:innen waren am vergangenen Wochenende Dutzende Seelsorger:innen präsent.
Weitere Einsätze der Festivalseelsorge wird es am Electric Love Festival am Salzburger Ring vom 3. bis 6. Juli, beim Shutdown Festival in Zwentendorf (3. August) und beim Free Tree Open Air in Taiskirchen im Innkreis (9. bis 11. August). An allen Festivals werden heuer insgesamt 140 Personen für die Festivalseelsorge arbeiten.
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