Wort zum Sonntag
Noch wisse niemand, wer gekündigt wird, sagt die Betriebsseelsorgerin. Sie berichtet von einer Schockstarre, von Wut, Entsetzen und großem Frust unter den Beschäftigten – und vielen Fragen, warum das passieren konnte und wer die Verantwortung übernimmt oder auch nicht. „Es ist das Gesprächsthema Nummer eins. Eine große Unsicherheit ist spürbar.“
Das Novembergehalt wurde den KTM-Beschäftigten nicht überwiesen. „Da wäre auch das Weihnachtsgeld mit dabei gewesen. Das haben viele schon verplant und das reißt jetzt ein Loch ins persönliche Budget“, sagt Lew. Nun springt der Insolvenzausgleichsfonds ein – aber mit Verspätung. „Die Miete oder Kreditrate muss trotzdem pünktlich bezahlt werden.“ Immerhin hat KTM angekündigt, das Dezembergehalt früher zahlen zu wollen. Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Insolvenz sei verschärfend für die Beschäftigten, meint Lew. „Jetzt kommt Weihnachten. Und man startet mit so einer Situation ins neue Jahr – und weiß nicht, wie es persönlich weitergeht.“
Ein KTM-Mitarbeiter, der anonym bleiben will, berichtet von der Verunsicherung: „Tief betroffen sind vor allem jüngere Familien, die gerade ein Haus gebaut haben, und Alleinerziehende.“ Um sich selbst mache er sich keine Sorgen, es werde schon weitergehen mit kleinerem Mitarbeiterstand. Er geht davon aus, dass vor allem Leasing-Arbeitskräfte nicht weiterbeschäftigt werden.
Propst Leon Sireisky nimmt als Pfarrer von Mattighofen Stellung: „Es tut einfach weh. Es ist eine echte Katastrophe für die Stadt Mattighofen und das gesamte Umland. Ich hoffe, dass es nicht noch schlimmer kommt – zu einem völligen Zusammenbruch.“
„Uns ist es nicht egal, wie es jeder und jedem Einzelnen geht“, betont Betriebsseelsorgerin Lew. Sie möchte Hoffnung machen, weiß aber auch, dass das in solch einer Situation schwierig ist. Schließlich gehe es für Menschen, die gekündigt werden, um die ganze Lebensplanung. „Existenzängste können wir den Menschen nicht nehmen. Aber ein Gespräch hilft, sich zu sortieren und im Kopf klar zu werden, um zu überlegen, was die nächsten Schritte sein können. Und manchmal geht es einfach darum, für die Menschen da zu sein und zuzuhören. “
Ähnlich sieht das Dechant Marek Michalowski: „Unsere Aufgabe ist es, für die Menschen da zu sein. Wir möchten für Gespräche zur Verfügung stehen, um den Betroffenen und ihren Familien aus unseren Pfarren einen Raum zu geben, ihre Sorgen und Ängste zu teilen.“
Der Treffpunkt mensch & arbeit Braunau hat sich mit der Caritas kurzgeschlossen und eine spezielle Information erarbeitet. Es wird geraten, sich gut zu informieren – dafür steht neben Gewerkschaft und Arbeiterkammer auch die Sozialberatungsstelle der Caritas zur Verfügung.
Wie soll man Weihnachten feiern in solch einer Situation? Betriebsseelsorgerin Susanne Lew rät zum Realismus: „Man muss ansprechen, was ist. Und die Leute ernst nehmen in ihrer Angst und persönlichen Betroffenheit.“ Allerdings könne Ablenkung schon auch guttun. Sich Fragen zu stellen, was trotzdem gut im Leben ist und worauf man sich verlassen kann, helfe nicht nur das Problem zu sehen, sondern auch die individuellen Möglichkeiten und Ressourcen. Lew rät Betroffenen, sich für das Zeit zu nehmen, was persönlich guttut. Im Treffpunkt mensch & arbeit wird auch eine Workshopreihe „Verschnaufpausen“ angeboten.
Dechant Michalowski lädt die Seelsorger:innen der Region ein, das Thema in Gottesdiensten, Predigten und Gebeten anzusprechen. Dafür will man spezielle Fürbitten und Gottesdienste für betroffene Familien erarbeiten. Auch werden die Seelsorger:innen in der nächsten Dekanatssitzung darüber beraten, wie man praktische Hilfe und Solidarität leisten kann – denn „Gott wird Mensch, kommt uns nahe und schenkt Hoffnung“.
Die Betriebsseelsorge hat viel Erfahrung mit Menschen, die in Betrieben unter Druck sind oder die arbeitslos sind. Das Arbeitslosengeld beträgt nur 55 Prozent des bisherigen Gehalts. Susanne Lew sagt: „Ganz schlimm ist, wenn gesagt wird: ‚Wer etwas finden will, findet schon was‘ – denn es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum jemand arbeitslos ist.“ Sie erinnert sich an die Krise des Aluminiumkonzerns AMAG Ranshofen in den 1980er- und 1990er-Jahren: „Es dauert, bis sich eine Region wieder von so etwas erholt.“
Nicht nur der Betrieb KTM und seine Beschäftigten sind von wirtschaftlichen Problemen betroffen. Michaela Pröstler-Zopf, Leiterin des Fachbereichs Arbeitswelten und Begegnungsräume der Diözese Linz, sieht strukturelle Probleme: „Unsere Art zu wirtschaften stößt an Grenzen. Während der Reichtum einzelner weiterhin steigt, werden flächendeckend Betriebe geschlossen und umstrukturiert. Das betrifft nicht nur die Fahrzeugindustrie, sondern auch im Handel und in anderen Branchen sehen wir große Turbulenzen. Das löst zum einen existenzielle Krisen aus, zum anderen bringt es uns gesellschaftlich in eine extreme Schieflage.“
Die Betriebsseelsorge unterstützt jede und jeden Einzelnen, so gut es geht. „Als Kirche müssen wir die Frage der Gerechtigkeit wieder mehr in den Blick rücken. Welches Wirtschaftssystem schafft gerechte Verhältnisse? Wie wollen wir zukünftig Waren produzieren, die dem guten Leben dienen und von denen die Menschen, die daran mitarbeiten, auch gut leben können?“
Die KTM AG, ein führender Hersteller von Sportmotorrädern, gehört zu 100 Prozent der Pierer Mobility AG. Deren Chief Executive Officer ist Stefan Pierer. Rund 3.600 Mitarbeiter:innen arbeiten bei KTM. Am 29. November reichten die KTM AG und zwei Tochterfirmen Insolvenzanträge beim Landesgericht Ried im Innkreis ein. Die Verschuldung liegt im Milliardenbereich.
Die KTM Fahrrad GmbH – seit 1992 ein eigenständiges Unternehmen, ebenfalls mit Sitz in Mattighofen im Bezirk Braunau – hat mit der aktuellen Insolvenz nichts zu tun.
Die Nachricht von der Insolvenz des Unternehmens KTM hat uns alle tief erschüttert. Sie betrifft nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch ihre Familien und die gesamte Gemeinschaft in unserer Region. Als Kirche sehen wir uns besonders in der Verantwortung, in solchen Krisenzeiten ein Zeichen der Hoffnung und Solidarität zu setzen.
Unsere Aufgabe ist es, für die Menschen da zu sein – zuzuhören, Trost zu spenden und Orientierung anzubieten. Wir möchten für Gespräche zur Verfügung stehen, um den Betroffenen und ihren Familien aus unseren Pfarren einen Raum zu geben, ihre Sorgen und Ängste zu teilen. Der Verlust von Arbeitsplätzen ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine persönliche und emotionale Herausforderung, bei der wir als Seelsorgerinnen und Seelsorger eine zentrale Rolle spielen können.
Thematisierung in Gottesdiensten und Veranstaltungen
Wir werden die Situation in unseren Gottesdiensten und kirchlichen Veranstaltungen bewusst ansprechen. Ich werde die Priester und Wort-Gottes-Leiter im Dekanat bitten, in Predigten und Gebeten die Not der Betroffenen aufzugreifen und Solidarität sowie Unterstützung anzubieten. Besonders in der Advent- und Weihnachtszeit soll der Fokus darauf liegen, den Menschen Trost und Hoffnung zu spenden.
Wir denken auch darüber nach, spezielle Fürbitten, Gottesdienste für die betroffenen Familien anzubieten, um unsere Verbundenheit zu zeigen und die Kraft des Gebets erfahrbar zu machen. Gerade die Weihnachtsbotschaft hat in solchen Momenten eine besondere Bedeutung – Gott wird Mensch, kommt uns nahe und schenkt Hoffnung.
Konkrete Maßnahmen
Ich möchte alle Gemeindemitglieder dazu einladen, sich solidarisch zu zeigen und die betroffenen Familien in ihre Gebete einzuschließen.
Wort zum Sonntag
Turmeremitin Birgit Kubik berichtet über ihre Woche in der Türmerstube hoch oben im Mariendom Linz >>
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