Wort zum Sonntag
Ob er als Lehrer an einer Berufsschule öfters mit Klischeebildern konfrontiert ist? Bei dieser Frage muss Joachim Sulzer nicht lange überlegen: „Die Vorurteile sind teilweise extrem, manche Leute glauben gar, wir müssten unsere Schülerinnen und Schüler entwaffnen, bevor sie die Schule in der Früh betreten.“
Die Realität sei natürlich komplett anders: „Wir haben an der Berufsschule mit lieben, vernünftigen jungen Leuten zu tun. Ich bin von den Schülerinnen und Schülern, die bei mir sind, meistens positiv begeistert“, sagt Sulzer. Natürlich habe er zusätzlich den Vorteil, dass im Prinzip nur Freiwillige in seinem Unterricht sitzen.
Denn an den Berufsschulen nimmt Religion eine Sonderstellung ein. Bis auf Vorarlberg und Tirol hat das Fach in fast allen Lehrberufen vom Bäcker bis zum Zimmerer den Status eines Freigegenstands. Was das in der Praxis bedeutet, weiß Joachim Sulzer, Religionslehrer an der Berufsschule 5 in Linz, der mit rund 2000 Schüler:innen pro Jahrgang größten Berufsschule in Oberösterreich.
Zu Beginn der mehrwöchigen Lehrgänge stellt Sulzer immer sein Fach vor. Eine Schulstunde hat er dafür Zeit, um die angehenden Elektrotechniker:innen und Mechatroniker:innen für Religion zu begeistern. „Es gibt Klassen, wo ich vor 30 Schülern stehe und Klassen, wo es nur eine Hand voll Schüler sind“, erzählt Sulzer. Für ein Freifach sind die Anmeldungen in Religion aber durchwegs bemerkenswert.
Joachim Sulzer ist Diakon und unterrichtet Religion an der Berufsschule 5 in Linz. Insgesamt gibt es vier Religionslehrer an seiner Schule.
Vor allem viele größere Betriebe legen ihren Lehrlingen nahe, in Religion zu gehen. Manche Unternehmen haben für den Besuch des Religionsunterrichts sogar eine Belohnung vorgesehen, etwa in Form einer Extrazahlung oder eines Zeitausgleichs. „Sie haben die Haltung, dass es letztlich auch für ihr Betriebsklima gut ist, wenn ihre Lehrlinge Religion wählen“, erzählt Sulzer.
Denn in den zwei Wochenstunden gehe es viel ums soziale Lernen und gemeinschaftsstiftende Inhalte. „Mir ist zum Beispiel wichtig, dass sich eine Klasse gut untereinander kennenlernt, weiß, wie sie Konflikte lösen kann und wie man miteinander umgeht.“
Das könnten so banale Dinge sein wie nicht mit offenem Mund Kaugummi zu kauen. Oder den eigenen Müll in den Mistkübel zu werfen. Dass man dem anderen nicht ins Wort fällt und andere so behandelt, wie man selbst behandelt werden möchte.
Die „klassischen“ Themen eines Religionsunterrichts kommen bei Joachim Sulzer natürlich auch nicht zu kurz. „Ich gehe flexibel auf die Bedürfnisse der jeweiligen Klassen ein, aber den Inhalt der Bergpredigt sollen sie unbedingt lernen“, betont Sulzer. Eben jene Botschaft, in der Jesus die Menschen dazu aufruft, die Mitmenschen zu lieben, sogar die Feinde, und allen mit Respekt zu begegnen – verbunden mit dem Aufruf, Gutes zu tun und sich gegenseitig zu helfen, vor allem den Benachteiligten und Schwächeren.
Außerdem will der Religionslehrer vermitteln, was die wichtigsten Feste im Kirchenjahr sind und welche Bedeutung ihnen zugrunde liegt. Spezielle Interessen haben darüber hinaus ebenso ihren Platz: „Zur Zeit unterrichte ich eine Klasse, wo wir in den Stunden gemeinsam aus der Bibel lesen und darüber diskutieren.“
Während dieses spezielle Interesse eher die Ausnahme bildet, besucht Sulzer eigentlich mit jeder Klasse die nahegelegene Pfarrkirche St. Antonius, nicht zuletzt, weil es hilfreich ist, abseits von Schul- und Berufsstress einmal zur Ruhe zu kommen.
Zum Selbstverständnis von Joachim Sulzer gehört es auch, als Schulseelsorger da zu sein. Das ist anders als an den katholischen Privatschulen zwar kein offizieller Titel, er nimmt diese Aufgabe aber dennoch mit großem Engagement wahr. „Als ich zum Diakon geweiht wurde, habe ich das zu meinem Schwerpunkt gewählt.“
Den Klassensprecher:innen gibt Joachim Sulzer immer seine Handynummer, damit sie ihn anrufen können. Gefragt ist er sowohl bei Todesfällen als auch bei schönen Lebensereignissen seiner Kolleg:innen und Schüler:innen.
Sulzer: „Erst vor ein paar Wochen hat mich ein ehemaliger Schüler angerufen und gefragt, ob ich sein Kind taufen mag. Da freu ich mich sehr, wenn ich über die Schulzeit hinaus für die Menschen da sein kann“.
Wort zum Sonntag
Turmeremitin Birgit Kubik berichtet über ihre Woche in der Türmerstube hoch oben im Mariendom Linz >>
Die KIRCHENZEITUNG bietet vielfältige Angebote für Pfarren:
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>