Wort zum Sonntag
Als die Gewalt in der Ostukraine 2014 eskalierte, waren die Zeitungen in Europa voll mit Berichten und Reportagen. Nach sechs Jahren haben die Konfliktparteien Russland und Ukraine zwar keine keine friedliche Lösung gefunden, der Krieg ist in der europäischen Öffentlichkeit aber kaum noch präsent. Ukrainer/innen bekommen in Österreich selten Asyl zugesprochen. Die Familie Shpahniev, deren erste Befragung durch die Behörden am 11. Jänner 2018 stattfand, war nicht darunter. Die fünfköpfige russischstämmige Familie hat vor knapp fünf Jahren in Vöcklamarkt eine neue Heimat gefunden. Die Bedrohung durch den Krieg allein ist nicht der Fluchtgrund, den Familienvater Igor Shpahniev anführt.
Die geflüchtete Familie stellt ihre Sicht so dar: Auslöser für die Flucht aus der Ostukraine war, dass er 2015 Todesdrohungen von dem milliardenschweren ukrainischen Oligarchen erhalten haben soll. Dieser Konflikt reicht ins Jahr 2005 zurück. Damals soll Shpahniev als Sicherheitschef eines Casino-Unternehmens den Plan des Oligarchen vereitelt haben, diese Firma durch einen bewaffneten Überfall zu übernehmen. Einen Mordanschlag auf sein Auto mit einer Werfergranate überlebte Igor Shpahniev kurze Zeit später nur äußerst knapp. Er musste danach untertauchen, lag mit Unterbrechungen drei Jahre im Krankenhaus, lebte später mit seiner Familie aber weiterhin in der Ostukraine. Durch die Wirren des aufflammenden Konfliktes geriet die Familie Shpahniev ab dem Jahr 2014 wieder ins Visier des Oligarchen. Eine persönliche telefonische Todesdrohung sei der Auslöser für die Flucht gewesen. Da der Staat den Schutz nicht gewährleisten konnte, musste die Familie ihre Wohnung verkaufen und landete schließlich in Österreich.
Soweit der Bericht von Igor Shpahniev und seiner Frau Julia, den sie auch dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erzählten. Dieses hat das Verfahren letztendlich trotz Einsprüchen eines Rechtsanwalts auch in der 2. Instanz im Februar 2020 abgewiesen. „Die Fluchtgründe konnten er und seine Frau bei dem Interviewtermin beim BFA nicht richtig vorbringen“, sagt Franz Gebetsberger, der die Familie unterstützt und als Vertrauensmann bei den Befragungen zuhörte. Die Kritik, dass die persönliche Verfolgung der Shpahnievs nicht berücksichtigt worden sei, wird vom BFA zurückgewiesen.
Eine Rückkehr in die Ukraine komme für Vater Igor aber einem Todesurteil gleich, ist sich Gebetsberger sicher. „Für mich ist der Fluchtbericht der Familie Shpahniev absolut glaubwürdig“, betont Gebetsberger. Er begleitet die Familie Shpahniev seit mehreren Jahren und hat in den vergangenen Monaten alles versucht, um doch noch eine Wendung herbeizuführen.
Er hat gemeinsam mit seinen Mitstreitern aus der Pfarre Vöcklamarkt Briefe an Bundespräsidenten und Bischof geschrieben, Mahnwachen und eine Demo organisiert. „Die Shpahnievs sind in Vöcklamarkt sehr gut integriert. Der Rückhalt in der Bevölkerung ist enorm“, verweist Gebetsberger nicht zuletzt auch auf eine Onlinepetition mit 4.833 Unterschriften. Der Gemeinderat von Vöcklamarkt hat sich über alle Parteigrenzen hinweg geschlossen für den Verbleib der Familie ausgesprochen. Auch die 250 Schüler/innen der Neuen Mittelschule Vöcklamarkt stellten eine eigene Petition auf die Beine. Deutlich wies Pfarrer Schnölzer bei der Übertragung eines Gottesdienstes aus Vöcklamarkt im ORF und ZDF auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft und das Eintreten der Menschen für den Verbleib der Familie in Vöcklamarkt hin.
Dramatisch war die Entwicklung als die Familie den 2. negativen Bescheid zugestellt bekam. Mitte Februar versteckte die Pfarre Vöcklamarkt die Familie Shpahniev an einem geheimen Ort in einem Kloster. „Ich weiß, dass dieses Kirchenasyl keine rechtliche Grundlage hat, aber wir mussten uns schützend vor die Familie stellen“, sagt Gebetsberger, der sein Engagement als Christenpflicht begreift. Mittlerweile ist das „Kirchenasyl“ nach mehreren bangen Tagen wieder beendet. Laut Unterstützern konnte ein Kompromiss zwischen Innenministerium und der Familie Shpahniev erreicht werden. Die Familie wird nicht abgeschoben, sondern wird im Verlauf der nächsten Wochen freiwillig in die Ukraine zurückkehren. Bemühungen laufen, dass der Familienvater einen Arbeitsplatz in einem Mangelberuf in Österreich bekommt und die Familie so mit der Rot-Weiß-Rot-Karte eine legale Aufenthaltsbewilligung bekommt.
Da die Familie vor der Einreise in die Ukraine große Angst hat, werden mehrere Personen als Begleitschutz mit der Familie Shpahniev in die Ukraine reisen. Gebetsberger: „Die Familie ist verzweifelt und hat Angst. Wir hätten gehofft, dass eine menschliche Lösung gefunden wird und die Familie zumindest humanitäres Bleiberecht bekommen kann.“
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