Wort zum Sonntag
Ein halbes Jahrhundert hat er sie nicht mehr gespielt. Doch im Krankenhaus hat sich Johann Maislinger an seine alte Ukulele erinnert. Jetzt spielt er sie wieder – und es geht ihm gut.
Als fröhlichen Menschen haben viele Pfarrer Maislinger gekannt – den Freuden des Lebens nicht abgeneigt. Ein Kenner und Sammler von Kunst, auch ein gutes Tröpfchen aus dem Weinkeller wusste er zu schätzen. Ein geselliger Mensch, der auf den Pfarrausflügen die Leute zu unterhalten verstand.
Da kam es auf einmal ganz anders. Zucker. Die Krankheit damit. Vor 20 Jahren fing es an. Schwindelanfälle wurden seine Begleiter. Johann Maislinger ging es nicht so gut, wie viele es wahrnahmen. Die Krankheit war auch der Grund, warum er – für einen Pfarrer relativ früh – vor zwölf Jahren in Pension ging. Seelsorgliche Aufgaben übernahm er sehr wohl weiter, heute noch ist er als Beichtaushelfer in Bad Ischl tätig. Lange konnte er ganz gut mit dem Diabetes leben. Die Zehe vor allem war das Problem. Ein ständiges Ziehen, ein leichter Schmerz als Lebensbegleiter. Er drückte auf die Lebensfreude. Eine ständige Erinnerung: Pass auf, es stimmt etwas nicht. Anfang 2018 war es so weit. Die Zehe konnte nicht mehr gerettet werden. Zehn Tage dauerte Maislingers erster Aufenthalt im Krankenhaus in jenem Jahr. Der Schalk saß ihm auch an solchen Tagen im Nacken. Der Bettnachbar wusste nicht, dass sein Mitpatient, mit dem er sich gut verstand, Priester war – und äußerte sich sehr derb über diesen Berufsstand. Erst später „outete“ sich Maislinger. Dem Mann war es furchtbar peinlich. Aber Maislinger war fast dankbar für die grob ausgedrückte Ehrlichkeit.
Dann kam die Zeit, in der er ans Haus gebunden war. Man kann nicht weiß Gott was unternehmen nach einer solchen Operation. Wer weiß, was passiert.
Jetzt war die Zehe nicht mehr das Hauptproblem. Eine große Appetitlosigkeit stellte sich ein, eine Niedergeschlagenheit. Die Magen- und Darmprobleme schwächten ihn. So kam der abgemagerte Priester wieder ins Krankenhaus, diesmal zu den Elisabethinen in Linz. Nur mit dem Rollator konnte er sich zwischen Bett und Bad bewegen. „Ins Krankenhaus habe ich meine Tasche noch selber getragen, sollte ich es nun als Pflegefall verlassen?“, fürchtete er. Mit Medikamenten bekam man ihn halbwegs wieder hin.
Es war wie eine Befreiung, als ihm ein Arzt erklärte: Die Symptome könnten Anzeichen einer Depression sein. So stellte es sich auch heraus. Maislinger hätte es selbst nicht vermutet. Es bedeutete einen weiteren Krankenhausaufenthalt, diesmal im Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums. Als Studenten hatten sie damals das Krankhaus blödelnd noch als „Wagner-Disco“ bezeichnet.
Maislinger war froh, dass nun die Ursache klar war. Eine Depression ist eine Krankheit, es fehlen bestimmte Botenstoffe, die man zuführen kann. Niemand, auch ein Priester nicht, muss sich ihrer schämen.
Es gab schöne Begegnungen im Krankenhaus: Mit der Musiktherapeutin, mit der die Rede auf die Ukulele kam, die er vor 50 Jahren gespielt hatte. Er ließ sie sich bringen – und spielt seither wieder auf ihr.
In einer anderen Therapie bestand die Aufgabe darin, aufzuschreiben, worüber er sich denn freue. Die Liste wurde lang. 60 Dinge kamen zusammen. Das Gute rückte wieder in den Blick.
Obwohl ausgewiesener Kunstliebhaber, hatte Maislinger dennoch nie selber gemalt oder gezeichnet. Jetzt tat er es in einer Therapie. Die mit einem Lötkolben in Holz gebrannten Bilder von Engeln sind ihm heute kostbare Erinnerungen an die Wochen im Spital.
Maislinger hatte viel Besuch im Krankenhaus. Aber wenn einmal niemand kam, wurden die Tage lang. Sehr lang. Er erlebte, wie es vielen auf der Station noch viel schlechter ging als ihm. Vor allem bewunderte er die Pflegerinnen und Pfleger, die mit extrem schwierigen Situationen zurechtkommen mussten. Er kam heim. Sie blieben dort.
Einmal brachte ihm jemand ein mit hochwertigen Kunstdrucken ausgestattetes Buch mit den Propheten-Texten. Aber diese Texte waren ihm zu schwer. „Ich hab die Propheten nach Hause geschickt.“ Ein andermal würde wieder Zeit für sie sein. Lieber nahm er in jenen Tagen das Buch mit den Engelbildern und Engeltexten zur Hand. Die Engel waren ihm die willkommenen Begleiter in der Krankheit. „Ich bin dankbar für diese Zeit“, sagt Maislinger. Der Humor ist ihm nie ganz vergangen. „Wenn Gott mir eine Prüfung schickt, dann hat er sie mir auch zugetraut.“ Fast sei die Krankheit „eine Aufmerksamkeit Gottes“ für ihn. „Manchmal war ich zum Beten zu schwach“, schildert der Priester die schwierigste Zeit. Der Rosenkranz hat ihm sehr geholfen – sein Lieblingsgebet seit Jahrzehnten. Man hat ja so viele Wege und Wartezeiten im Krankenhaus. «
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