Wort zum Sonntag
Den Anfang machte der „Mythos der Zahl“: So lautete der Titel der ersten Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster 1999. Der Übertritt in die 2000er-Jahre beschäftigte viele Menschen. Aktuelle Themen aufzugreifen, die Haltung der christlichen Kirchen zu erkunden und das im Dialog mit der Wissenschaft – das war von Anfang an das Ziel der Sommerakademie.
Geboren hat die Idee Helmut Obermayr, als er 1999 als Leiter in die ORF-Hauptabteilung Religion in Wien wechselte: „Ich habe mir damals gedacht, man müsste auf Ebene der Religion ein Format erfinden, das dem Europäischen Forum Alpbach ähnlich ist. Als ich Bischof Maximilian Aichern bei einer Veranstaltung darauf ansprach, hat er das unterstützt und mich an den heutigen Generalvikar Severin Lederhilger verwiesen. Auch der damalige evangelische Superintendent Hansjörg Eichmeyer hat von Anfang an mitgemacht. Abt Oddo Bergmair vom Stift Kremsmünster sagte: Ja natürlich machen wir da mit“, erinnert sich Obermayr heute an die Anfänge.
Beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) war man zunächst verhalten. In den Gesprächen dort wurde sichtbar, dass es verkürzt ist, Ökumene nur zwischen katholischer und evangelischer Kirche zu sehen. So kam die orthodoxe Sicht dazu – und ab der dritten Akademie war der ÖRKÖ Mitveranstalter.
„Theologie und molekulare Medizin“, „Gottesstaat oder Staat ohne Gott“, „Warum Leid?“, „Tabu Lebensende“, „Wer ist mein Nächster?“, Schöpfungsethik, Hirnforschung, Wahrheit, Gewalt, Gerechtigkeit und Flucht sind nur einige der Themen der bisherigen Akademien.
„Entscheidend war bei der Themenfindung ein Team“, sagt Helmut Obermayr und nennt unter anderem die ORF-Redakteure Ursula Baatz, Bernhard Hain, den früheren Kirchenzeitungschefredakteur Matthäus Fellinger, die evangelischen Bischöfe Michael Bünker und Herwig Sturm und Oberin Christine Gleixner.
Dass das Stift Kremsmünster zum Ort der Sommerakademie erhoben wurde, geht einerseits auf Helmut Obermayrs persönliche Beziehung dorthin zurück, andererseits auf den „genius loci“, den Geist des Ortes: „Ich bin acht Jahre lang dort zur Schule gegangen und mir wurde dort ein Kulturverständnis vermittelt, das ich sonst nicht bekommen hätte“, sagt der frühere ORF-Landesdirektor von Oberösterreich. „Später sind Freundschaften zu meinen ehemaligen Lehrern entstanden.“ Obermayr verweist gleichzeitig auf die Tradition der Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften, die sich baulich in der Kremünsterer Sternwarte zeigt.
Als besonders spannend hat der Initiator die Themen Hirnforschung und Gentechnik in Erinnerung. Für Aufsehen sorgte die Aussage des katholischen Bischofs Klaus Küng, der Möglichkeiten der Molekularbiologie und Gentherapie unter bestimmten Bedingungen offen gegenüberstand. „Spannend waren auch die Diskussionen über Flüchtlinge und Flucht oder das Verhältnis von Kirche und Staat.“
Dass wichtige Themen in der Gesellschaft oft mit zu wenig Tiefgang diskutiert werden, liegt für ihn auch am Bedeutungsrückgang der klassisch-journalistischen Medien. „Aber wir sollten auch die Vergangenheit nicht verklären“, sagt er. Dass es bei der Ökumenischen Sommerakademie über die Vorträge hinaus auch die Möglichkeit zum Austausch im gesellschaftlichen Rahmen gibt, werde von den Vortragenden geschätzt.
Angesichts der Kriege insbesondere im Nahen Osten und in der Ukraine steht heuer das Thema „Frieden stiften“ auf dem Programm der Sommerakademie. Welche Verantwortung, welchen Einfluss haben die christlichen Konfessionen? „Religionen müssen sich zunächst einmal selbst bemühen, nicht am Unfrieden und am Krieg mitzuwirken“, betont Obermayr.
„Beim Zerfall Jugoslawiens haben sich Religion und Nationalismus verbunden und es kam zu grauenvollen Konflikten. Heute sehen wir das im Ukraine-Konflikt, in dem die russisch-orthodoxe Kirche von der russischen Politik völlig instrumentalisiert ist. Der zweite Punkt ist, dass sich Religionen auf ihren Auftrag, Frieden zu stiften, besinnen müssen – wobei es eine Balance braucht, die den gerechten Widerstand berücksichtigt. Zuletzt gibt es die Besinnung darauf, dass es die uns versprochene Erlösung nicht hier auf der Welt, sondern bei Gott gibt und wir uns ab einem gewissen Punkt auch damit abfinden müssen. Das bedeutet aber nicht, zu behaupten, man könne nichts machen“, sagt Obermayr.
„Unbedingt“ müsse sich der ökumenische Dialog zu einem interreligiösen Gespräch öffnen, ist er überzeugt. Wenn sich das Gespräch aus der Ökumenischen Sommerakademie weiterentwickeln soll, müsse das auf einem interreligiösen Zugang beruhen. Auch wenn es in der Ökumene nach wie vor viel zu tun gibt, „wird man ohne ein Gespräch auch mit dem Islam der Rolle der Religionen in unserer Gesellschaft nicht mehr gerecht. Als Wurzel sowohl des Christentums als auch des Islams gehört das Judentum in diesen Dialog“, sagt Obermayr.
Bei all der Dankbarkeit, die er für 25 Jahre Sommerakademie empfindet, ist ihm eine dieser Tagungen besonders in Erinnerung: Da hat ein Imam um 12 Uhr im Kaisersaal des Stifts Kremsmünster das muslimische Mittagsgebet gesprochen und Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg vorgetragen.
25. Ökumenische Sommerakademie im Stift Kremsmünster: Frieden stiften
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