Wort zum Sonntag
Während die Kinderkrippenfeiern, Nachmittags- und Mitternachtsmetten, aber auch Jahresschlussandachten und andere Feiern viele Kirchen jedes Jahr bis auf den letzten Platz und darüber hinaus füllten, ist diese Menschenfülle und Feierdichte im Jahr 2020 keine gute Idee. Corona-Mindestabstände könnten nicht eingehalten werden, außerdem könnten sich über die inzwischen berühmten Aerosole, die beim Singen und Atmen ausgestoßen werden, in Kürze ganze Menschengruppen mit dem Corona-Virus anstecken. Ob es in Advent- und Weihnachtszeit überhaupt öffentliche Gottesdienste geben wird, ist nach den jüngsten Lockdown-Bestimmungen alles andere als klar.
Die Weihnachtslieder, die sonst am Christkindlmarkt tagaus, tagein ertönen, einfach zuhause abspielen? Weihnachten ausfallen lassen? Fotos von früher anschauen, um in Advent- und Weihnachtslaune zu kommen? Die Professionalisierung der westlichen Gesellschaft hat viel Gutes bewirkt: Die Menschen sind daran gewöhnt, eine Arbeit zu verrichten, für die sie eine mehrjährige Ausbildung absolviert haben. So macht jede und jeder, was sie oder er gut kann, und überlässt den Rest anderen Profis. Die Rettung kümmert sich um Schwerverletzte, die Caritas um Obdachlose, pädagogisch geschulte Personen betreuen und unterrichten die Kinder. Alles hat seine Ordnung. Die Arbeitsteilung führte dazu, dass auch Beten mehr und mehr an Fachleute delegiert wurde. Priester und Seelsorgerinnen kümmern sich darum. Coronas Botschaft an die Christinnen und Christen ist: „Do it yourself.“ Das Know-how der Profis kann dabei helfen. Und wie geschickte Heimwerker/
-innen die Fliesen vielleicht selbst verlegen, aber zum Anschluss der Gasheizung doch die Handwerker holen, können sich auch beim liturgischen Feiern die Do-it-yourself-Anteile und die „Profi-Dienste“ ergänzen.
„Segnen können wir alle!“, erinnert Christoph Freilinger vom Österreichischen Liturgischen Institut. „Wir segnen die Kinder und wir können uns gegenseitig segnen. Jeder und jede kann den Adventkranz zu Adventbeginn segnen, oder die Familie macht es gemeinsam.“ Ein Dankgebet, ein Bittgebet für andere Menschen, zu denen es Bezug gibt, ein Segensgebet für Anwesende und nicht Anwesende gehören zu den Basics aus dem Werkzeugkasten des gemeinsamen oder einzelnen Gebets. Freilinger weiß, dass manche Sorge haben, es könnte eine Konkurrenz zum Gemeindegottesdienst entstehen. Diese Sorge teilt er nicht. „Das neuentdeckte Feiern zuhause wird den Gemeindegottesdienst verändern, es wird ihn bereichern“, ist der Liturgiewissenschaftler überzeugt. Was er sich für Gebete von Hausgemeinschaften oder Einzelpersonen wünscht, ist ein starker „Vernetzungsgedanke“. Je nach aktueller Strenge der Corona-Auflagen ist eine Einladung zum Mitfeiern an Nachbarn, Verwandte oder Freunde vielleicht nicht möglich. Füreinander beten ist jedoch immer möglich. Und die zusätzliche Vernetzung über Online-Konferenzprogramme ist eine weitere, neue Spielart des gemeinsamen Gebets oder der Besinnung.
Am Anfang steht immer der Entschluss, sich gemeinsam oder allein hinzusetzen. „Um zur Ruhe zu kommen, kann es helfen, den Raum ein wenig herzurichten“, schildert Christoph Freilinger. Hilfreich kann eine Kerze, ein Kreuz oder ein Bild sein. Wer sich zusätzliche Anregungen holen möchte, findet auf netzwerk-gottesdienst.at und auf den diözesanen Webseiten Feiervorschläge zum Herunterladen oder zum Ablesen vom Bildschirm – Ideen und Tipps, wie Erwachsene feiern können oder auch für Familien mit Kindern. „Die Gebetsvorschläge auf netzwerk-gottesdienst.at sind schlicht gehalten und sollen zum Mitmachen anregen.“ Doch niemand soll sich überfordern, betont Freilinger. „Wenn die Kinder unruhig werden oder man selbst, kann und soll man das Gebet, den Gottesdienst, die stille Stunde abschließen.“
Beten ist nichts, was nur in der Kirche und mit einem Priester möglich ist. Noch vor wenigen Generationen waren Rosenkranzandachten in der Familie, Litaneien ohne Priester oder etwa Maiandachten und Wallfahrten im Freien üblich. Christoph Freilinger beobachtet den sozialen Wandel, der sich vollzogen hat und der die Rituale beeinflusst. „Es gibt weniger Mehrgenerationen-Familien, und die Woche ist nicht mehr so rhythmisiert wie vor 50 Jahren.“ Ein Blick in andere Kontinente zeigt, dass das Hausgebet in anderen Kulturen eine lebendige Tradition ist, weil es sehr wenige Priester für sehr viele Menschen gibt und weil es dem Feierverständnis und den Familienstrukturen entspricht. Die Corona-Pandemie regt an, das Hausgebet in neuem Rahmen neu zu entdecken.«
Info: netzwerk-gottesdienst.at
Bild: Kerzen mit oder ohne Adventkranz, ein „Hirtenfeuer“ im Garten, Weihrauch im Haus: Äußere Zeichen erleichtern das Ruhigwerden und die Besinnung. Mehr braucht es manchmal gar nicht für ein Gebet. Hilfestellungen zum Beten zuhause bieten die Diözesen und die Liturgiereferate.
Schritt-für-Schritt-Anleitung
- Zeit und Ort absprechen, Vorbereitungszeit einplanen. Egal, ob schlicht oder aufwändig: Es braucht Vorbereitung.
- Ort gestalten. Z. B. durch Kerzen, Steine oder Zweige (nicht zu nah an den Kerzen), Weihrauch oder Räucherstäbchen (Achtung, starker Duft kann -ablenken).
- Musik überlegen. Singen? Instrumente? CD oder Playlist am Handy? Liederhefte? Tipp: Wenn zu wenige Liederhefte da sind, Liedtexte fotografieren und per WhatsApp an die Runde schicken. Das ist nicht so romantisch wie auf Papier, aber im Halbdunkel leichter lesbar. Im Internet gibt es auch Videos zum Mitsingen.
- Rituale überlegen. Was kann jeder und jede mitmachen? Beispiel: Eine/r nach dem anderen zündet eine Kerze an und erinnert an jemanden, der gerade nicht da ist. Die Verbindung mit anderen darf auch in kleiner Runde spürbar werden. Manchmal passt eine „Prozession“ durch die Wohnung mit Kerzen oder Weihrauch und Bibel. Fantasie ist gefragt. Verschiedene Elemente können das Beten zuhause zur Feier werden lassen. Stimmungsvolle Zeichen wirken auch außerhalb des Kirchenraums. Weihwasser kann sparsam zum Segnen des Adventkranzes verwendet werden.
- Gesprochene Elemente. Kreuzzeichen, Willkommensgruß, Bibelstelle, Austausch über die Bibelstelle, Vaterunser, Gegrüßet seist du Maria (oder für „Fortgeschrittene“ein Gesätzchen Rosenkranz), Fürbitten (vorbereitet oder spontan) als kurze Gebete für bestimmte andere Menschen auf der Welt, Segen.
TIPPS FÜR DEN ANFANG
Corona-Tipp. Im Lockdown nur wenige gleichbleibende Kontakte pflegen, auch nachher Vorsicht mit großen Einladungen. Zum Feiern im Freien eignen sich Garten, Park, Wald, Kirchenvorplatz, ... Eine kleine private Andacht in der Kirche ist an vielen Orten möglich, das am besten in der Pfarrkanzlei bekanntgeben.
Werbe-Tipp. Wenn Sie Kinder und Freunde motivieren wollen, überlegen Sie, wie Sie die Feier nennen. „Gottesdienst“ ist für manche schwerer zu verstehen als „ruhige Stunde“, „Adventrunde“ oder „Advent-Event“. Was Sie stimmig finden, verstehen auch die anderen.
Peinlichkeits-Tipp. Wirkt die Feier „aufgesetzt“? Keine Sorge, das ist anfangs normal. Nehmen Sie sich lieber wenig vor, zum Beispiel nur zwei Lieder, gemeinsames Kerzenanzünden, Segen für den Adventkranz.
Praktische Tipps: Für den Gottesdienst zu Hause
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