Wort zum Sonntag
Bei strahlendem Sonnenschein machen sich am Samstag, 5. September zahlreiche Menschen auf den Weg zum Friedenskreuz in Bach bei Schwanenstadt. Es ist 7:30 Uhr, ein wunderbarer Morgen mit herrlicher Bergsicht. Nicht fünf oder zwanzig, sondern an die 130 Unterstützer/innen wollen dabei sein, wenn sich nun Margit Schmidinger gemeinsam mit ihrem Mann Arnold auf den Weg nach Rom macht. Sie tritt für die Gleichstellung von Mann und Frau in der katholischen Kirche ein und pilgert dafür nach Rom in den Vatikan. Viele Wegbegleiter/innen vor Ort sowie die katholische Frauenbewegung und die Frauenkommission der Diözese Linz unterstützen sie in ihrem Anliegen. „Ich gehe nicht für mich. Ich gehe für uns!“, sagt Margit Schmidinger zur Begrüßung und breitet die Arme aus. Viele tun es ihr gleich. Gemeinsam wird hier gebetet, gesungen, Bitten und Wünsche werden vorgetragen. Dann macht sie sich mit ihrem zwölf kg schweren Rucksack für zwei Monate auf den Weg nach Rom.
Margit Schmidinger sieht es als Unrecht an, dass Frauen und (verheiratete) Männer ihre Berufung nicht leben können. Eine geschwisterliche, solidarische und teilende Kirche ist ihre Vision: „So wie Jesus es uns vorgelebt hat.“ – „Es ist gut, dass es jetzt losgeht. Viele wünschen sich, dass sich diese Kirche erneuert. Ich gehe im Gottvertrauen, dass er die nötigen Türen öffnet. Ich erlebe so viel Zuspruch und Ermutigung und werde im Gehen begleitet. Das beflügelt mich“, erzählt Schmidinger im Vorfeld. Elf Jahre war Schmidinger als Pastoralassistentin in Schwanenstadt und Bach tätig. Vor ihrem jetzt beginnenden Sabbatjahr gab es einen Abschlussgottesdienst: „Das war wie ein Erntedank. Ich erlebe viel Verständnis für meinen Schritt. Vielen brennt das Thema unter den Nägeln“, weiß sich Schmidinger getragen von ihrer Pfarre und den vielen Frauen und Männern, die im Seelsorgeraum für die Kirche tätig sind.
Inspiriert hat sie der Zukunftsweg, den die Diözese Linz gestartet hat. „Kirche weit denken – das hat mich so beflügelt. Hier kann ich mich einbringen. Ich möchte schauen, was möglich ist“, ist Schmidinger voller Tatendrang – und Mut. Denn den braucht es, um mit ihrem Anliegen nach Rom zu gehen.
Vor ihrem Gang nach Rom hat sie sich auch bei Brigitte Gruber-Aichberger, der Direktorin für Pastorale Berufe, verabschiedet und ihr von ihrem Vorhaben berichtet. Gruber-Aichberger sagt dazu: „Ich stehe dem mit Respekt gegenüber. Ich finde es beachtlich, sich in dieser Form von einem inneren Anliegen und einer tiefen Überzeugung im wahrsten Sinne des Wortes in Bewegung setzen zu lassen. Von Ottnang nach Rom zu gehen, ist kein Spaziergang. Das ist Mühe und heißt, sich aussetzen und am Weg sein. Dieses Tun hat Symbolkraft für Christinnen und Christen, wenn wir unserem Auftrag gerecht werden wollen.“ – So erleben dies auch die vielen Unterstützer/innen. An die 20 begleiten sie jetzt auf ihrem Weg nach Rom. Paula Wintereder, Vorsitzende der kfb OÖ ist auch eine, die Margit Schmidinger und ihr Anliegen mitträgt. Sie kam zur Segensfeier nach Bach, um der Rompilgerin persönlich alles Gute für ihren Weg zu wünschen. Brot und Wein hat sie ihr für den Weg mitgebracht: „Damit du gestärkt bist!“
Für die Gleichstellung von Mann und Frau einzutreten und dieses Anliegen selbst in Rom vorzubringen, dazu bedarf es Mut. „Sie geht bewegt von ihrem Glauben und der inneren Gewissheit, dass Gott alle, Frauen und Männer, mit Würde ausgestattet hat. Nicht betteln gehen, sondern im Bewusstsein der eigenen Würde gegenübertreten, das finde ich einen guten Zugang zu dieser großen Verletzungsgeschichte von Frauen in der Kirche. Es ist ein Zeichen von Stärke“, meint Gruber-Aichberger. Für sie hat dieser Weg auch mit der Vision, Kirche neu zu denken, zu tun – und mit der Frage, wie die Botschaft des Evangeliums zeitgemäß verkündet werden kann.
Auch Pfarrer Helmut Part ist bei der Segensfeier in Bach anwesend, feiert mit und segnet das Paar vor dem Aufbruch. Am 7. November werden Margit und Arnold Schmidinger im Vatikan erwartet: Freunde und Weggefährt/innen sowie Musikkolleg/innen werden bereits da sein, um das Pilger-Ehepaar am Petersplatz zu begrüßen. „Wir werden dann gemeinsam singen und beten. Und was sonst noch alles sein wird, das weiß ich jetzt noch nicht“, sagt sie ganz offen.
Ein Gespräch mit Verantwortlichen im Vatikan, gar ein Treffen mit Papst Franziskus, den sie sehr schätzt? – „Ich habe ein besonderes Holzkreuz mit, das ich geschenkt bekommen habe. Ich würde das kleine Kreuz gerne Franziskus übergeben“, sagt sie bei der Segensfeier und zeigt das kleine Kreuz her. „Wenn in Rom nichts passiert, dann wäre das schon eine kleine Katastrophe“, gibt sie unumwunden zu. Und wie es mit ihr selbst in dieser Kirche weitergeht, kann sie jetzt noch nicht sagen. Dennoch möchte sie ihren Pilgerweg nicht an einem messbaren Ergebnis festmachen: „Ich möchte, dass eine Bewegung daraus wird.“ Eines weiß sie: „Wir sind auf der Welt, um Liebende zu sein, damit es allen gut geht. Wir brauchen Gott, Jesus und die ‚Ruach’, die Geistkraft, ganz dringend!“
Im Internet und den sozialen Medien kann man unter „Talita kum“ („Mädchen, steh auf!“) mitverfolgen, wo sie gerade unterwegs ist, was sie bereits erlebt hat. Aufstehen und eintreten für die Gleichstellung von Frauen in dieser Kirche, dazu hat sie bereits jetzt vielen Mut gemacht.«
„Steh auf – und geh mit!“ Für die Gleichstellung von Mann und Frau in der katholischen Kirche und für eine offene, den Menschen zugewandte Kirche geht Margit Schmidinger nach Rom. Viele begleiten sie auf ihrem Weg. Auf Facebook und auf ihrer Website „talitakum2020.wordpress.com“ gibt es aktuelle Berichte. Am 7. November will Margit Schmidinger mit ihrem Mann Arnold in Rom eintreffen.
Er hat – so wie Margit Schmidinger – sein Anliegen in Rom deponiert: Der deutsche Priester Stefan Hippler kritisierte in einem Buch die katholische Sexualmoral und das Kondomverbot, weil die kirchliche Lehre der wirksamen Bekämpfung von HIV und Aids entgegen stehe. Stefan Hippler erklärt jetzt, was der Ruf nach Reformen in Rom bewirken kann und wie der Vatikan damals reagiert hat:
In der Tat ist es sehr schwierig, sich in Rom wirklich Gehör zu verschaffen mit Reformanliegen. Es ist schwierig, weil man(n) und frau oft nicht weiß, was ankommt und wie es ankommt. Als Bartholomäus Grill und ich unser Buch „Gott, Aids, Afrika“ 2007 nach Rom zum damaligen Papst Benedikt XVI schickten, bekamen wir natürlich ein Schreiben, das den Eingang bestätigte. Eine Reaktion kam dann bekanntlich nur von dem Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, der „zum Gespräch“ einlud.
Ich habe dann bei einem Rombesuch durch einen Prälaten sicher gemacht, dass das Buch auf dem Schreibtisch des Papstes landet – ohne allerdings eine direkte Rückmeldung zu bekommen. Während dieses Aufenthaltes hatte ich zu einem bestimmten Themenkomplex Treffen mit Erzbischof Zygmunt Zimowski, damaliger Leiter des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, und auch mit dem damaligen Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden.
In beiden Fällen erlebte ich eine erstaunliche Offenheit für die besprochenen Themen und die Bereitschaft, diese näher zu betrachten. Haken bei der Sache: Es wurde deutlich kommuniziert, dass der Dienstweg eingehalten werden muss. In meinem Fall die südafrikanische Bischofskonferenz, die allerdings damals eine entsprechende Anfrage und Bitte erst mal monatelang liegen ließ, um sich dann für nicht zuständig zu erklären.
Fazit für mich: Es gibt im Vatikan für viele Themen mehr offene Ohren als vermutet – es war damals die Angst lokaler Kirchenvertreter vor Rom, die das größte Hindernis war. Das mag sich für Deutschland inzwischen in Teilen geändert haben, aber sicherlich nicht weltweit. Ein System ist nur schwierig zu ändern – aber man(n)/frau weiß ja nie, auf welchen Boden der Samen fällt. Die Aussaat von Gedanken bleibt wichtig ...
Stefan Hippler.
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