Wort zum Sonntag
Denken Sie, dass mit Initiativen und Kirchenstreiks das Ziel der Gleichstellung von Mann und Frau in der katholischen Kirche ein Stück weiter erreicht werden kann?
Veronika Pernsteiner: Ja, dennoch braucht es noch viele Schritte und einen langen Atem. Das Machtgefälle zwischen Mann und Frau ist ja gewachsen in tausenden von Jahren, deshalb gestaltet sich auch die Umsetzung des Frauendiakonats schwierig. Das wird jetzt nicht innerhalb von einer Generation erledigt sein. Doch das Fenster der Geduld geht immer weiter zu. Die Frauen sind selbstbewusster geworden, sie sehen ihren Platz und hören ihren Ruf – der aber leider nicht gehört wird oder nicht gehört werden darf.
Was die Priesterweihe von Frauen betrifft, so gibt es vom Vatikan nach wie vor ein Nein dazu. Auch für ein Frauendiakonat gibt es vom Papst keine Entscheidung, da die Arbeit einer von ihm beauftragten Kommission zum Thema zu keinem übereinstimmenden Ergebnis kam. Wie werten Sie das?
Pernsteiner: Ich bin enttäuscht, weil ich von diesem Papst sehr viel Weitblick spüre. Maria Magdalena war die erste Verkünderin der Auferstehung Jesu. So gesehen ist es für mich eine theologische Argumentation dafür, dass Frauen auf Augenhöhe mit den Männern Kirche und Welt gestalten. Ich wünsche mir das Weiheamt für Frauen, die den Ruf dazu spüren; nicht für mich. Es geht um die Möglichkeit, auch als Frau Diakonin oder Priesterin zu werden. Ich möchte in einer Kirche sein, wo ich gleichwertig Liturgie feiern und gleichwertig Funktionen einnehmen kann zur Gestaltung von Kirche und Welt. In der Liturgie entfaltet sich ja sichtbar und spürbar, wie wir Gemeinschaft leben.
Welche Argumente haben Sie für Frauen, die wegen der Gleichstellungsdebatte aus der Kirche austreten wollen?
Pernsteiner: Besser auftreten, als austreten. Das ist meine Meinung. Man kann nur von innen heraus etwas verändern. Je mehr Frauen wir sind und dazu öffentlich einstehen und sagen, wie wichtig es uns ist, dass Männer und Frauen in der Kirche auf gleicher Höhe miteinander leben können sollten, und wie wertvoll uns die Kirche ist, in der wir uns stärken und auch gemeinsam feiern, desto mehr wird das gehört und stärkt auch andere – auch die vielen solidarischen Männer, die es gibt. Das Schöne an der Katholischen Frauenbewegung ist, dass wir Gestaltungsräume öffnen, wo sich jede Frau aufgehoben und gleichwertig fühlt und wo wir Liturgien feiern, die Teil unseres Selbstverständnisses sind; ich gehe danach jedes Mal reich beschenkt heim.
Die Gleichberechtigung ist ein Menschenrecht. Ist es nicht unverständlich, dass gerade in der Kirche das nicht umgesetzt wird?
Pernsteiner: Ja, so hat sich Jesus das bestimmt nicht gedacht, denke ich. Einerseits gibt es eine Marienerhöhung auf unerreichbare Größe; andererseits diese Abwertung der Frau, wenn ihr etwa verboten wurde, Kommunionspenderin zu sein wegen der monatlichen Menstruation. Solche Äußerungen sind respektlos; aber vor lauter Angst und Scham wird nicht darüber geredet. Diese Angst gilt es zu entkräften. Es war die Intention von Jesus, gemeinsam zu feiern, um dann gemeinsam die Herausforderungen des Lebens zu bewältigen. In allen vier Grundaufträgen der Kirche – Diakonie, Gemeinschaft, Verkündigung und Liturgie – arbeiten heute schon ehrenamtliche Frauen und Männer, weil sonst die Seelsorge gar nicht mehr zu bewältigen wäre. Und dann zu sagen, du bist als Frau weniger wert, ist ein verachtendes Verhalten.
Stichwort Ehrenamt in der Kirche – hier leisten viele Frauen Großartiges. Frauen in Führungspositionen, die an kirchlichen Entscheidungsprozessen teilhaben, gibt es dagegen viel weniger. Wie sehen Sie die Situation derzeit im Hinblick auf Frauen in Leitungspositionen in der Kirche?
Pernsteiner: Bei 50:50 sind wir leider noch nicht angekommen. Das muss noch mehr werden, damit sich nicht die Hälfte der Gläubigen, weil sie Frauen sind, als Menschen zweiter Klasse fühlen. Trotzdem arbeiten Frauen schon vermehrt in der Seelsorge, auch in Leitungs- und Führungspositionen, z. B. österreichweit als Pastoralassistentinnen. Was die Teilhabe von Frauen an kirchlichen Führungspositionen und Entscheidungsprozessen im Vatikan betrifft, so nehmen sie langsam zu. Papst Franziskus hat u. a. erstmals auch Frauen zu Beraterinnen der Glaubenskongregation berufen. Soweit ich weiß, ermutigte und legte er den Bischöfen ans Herz, in ihren Wirkungsbereichen Entscheidungen zu fällen, mehr und mehr Frauen Raum in der Kirche zu geben.
Wie können Sie sich erklären, dass der Missbrauch an Ordensfrauen so lange vertuscht werden konnte?
Pernsteiner: Auch das liegt an der Überhöhung der Geweihten, die ihre Macht dazu benutzen, körperlich, seelisch und spirituell Missbrauch zu betreiben. Die Angst vor diesen Hierarchien, die ihre Macht nicht verlieren wollen, lähmt. Frauen wurden und werden auch dadurch unter Druck gesetzt, indem ihnen z. B. von Priestern gesagt wird, dass sie sich versündigen und Gott sie nicht mehr lieben wird, wenn sie dieses oder jenes tun. Auch das ist Missbrauch und schwer zu verurteilen.
Welchen Wandel in der katholischen Kirche wünschen Sie sich konkret?
Pernsteiner: Ich glaube, es muss schon in der Familie beginnen, dass Mädchen und Buben gleich viel wert sind; Strukturen der Macht müssen aufgelöst werden; es muss sich in der Priesterausbildung etwas ändern und generell in der Sexualmoral der Kirche; und natürlich braucht es auch Veränderung in der Öffentlichkeit. Es geht ja nicht nur um die Kirche, sondern auch um die Gesellschaft. Frauenarbeit ist noch immer schlechter bezahlt als Männerarbeit. Das Schönste wäre, wenn aus Rom das Signal käme, dass Frauen und Männer am Tisch Jesu gleich hohe Sessel haben. «
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