Wort zum Sonntag
Damit rechnen Wissenschaftler allen Ernstes: Menschen würden so hochintelligente Systeme entwickeln, dass sich dann die intellektuellen Leistungsfähigkeiten der Menschen den Maschinen gegenüber so wie die einer Ameise gegenüber dem Menschen von heute ausnehme. Trotzdem: Die Verantwortung des Menschen lässt sich nicht delegieren, auch nicht an eine Supermaschine. Der in der Schweiz lehrende Sozialethiker Peter Kirchschläger sieht das in den biblischen Schöpfungsberichten begründet: Dem Menschen hat Gott die Verantwortung für andere Menschen und für die Schöpfung in die Hände gelegt. Ihm traut er diese Fähigkeit zu, und diese Verantwortung lässt sich nicht wegdelegieren. Maschinen seien nicht „moralfähig“, sie blieben fremdbestimmt.
Bei der 20. Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster ging es um die Frage, wieweit die Digitalisierung das Menschenbild und den Menschen selbst verändert. Es sind keineswegs theoretische Fragen, denn führende Vertreter der digitalen Technologieunternehmen gehen tatsächlich davon aus, eine dem Menschen weit überlegene Intelligenz entwickeln und mit deren Hilfe die Weltprobleme lösen zu können.
Ein Roboter als Richter, der exakt nach Gesetzt urteilt? Für Peter Kirchschläger keine wünschenswerte Alternative. Eine solche Maschine könne mit den Begriffen „Gnade“ und „Begnadigung“ wohl nichts anfangen.
Johanna Haberer, Professorin für christliche Publizistik in Erlangen, führte vor Augen, wie tief die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten die Menschen selbst verändern. Es sei vor allem die Geschwindigkeit: Das, wozu man früher Wochen und Monate brauchte, gehe nun in kurzer Zeit. Doch: „Das Denken, das vormals in die Tiefe ging“, bleibe an der Oberfläche, es gehe gewissermaßen in die Breite.
Die Kommunikation unter den Menschen werde zunehmend flüchtiger und oberflächlicher. „Unser Leben unterliegt einer rasanten Beschleunigung, doch für diese Geschwindigkeit sind wir nicht geübt“, vermutet Haberer. So werde immer reflexhafter reagiert. Der Reflex habe die Reflexion, das tiefere Nachdenken also, abgelöst. Die Folge: eine Art öffentlicher Gereiztheit. Selbst die Weltpolitik sei von dieser Gereiztheit geprägt – wie es Präsident Trump in den USA mit seinen Twitter-Botschaften vorführt. Haberer rät, sich die Spätfolgen vor Augen zu führen. Die Erziehung zu einem kompetenten Umgang mit den neuen Möglichkeiten sei eine große Herausforderung. Die Mobilisierung zum Hass funktioniere leider heute viel besser als die Mobilisierung zum Guten, fürchtet die Wissenschaftlerin.
Haberer sieht in der digitalen Welt, in der es so leicht ist, zu manipulieren, das „Weltvertrauen“ gefährdet. Worauf könne man sich verlassen? Und: Das Netz vergesse nicht. Was an Daten gesammelt sei, klebe für immer am Menschen. Das digitale Netz kenne kein Verzeihen. Menschen hätten darin keinen Raum mehr für das Geheimnis, für das Ausprobieren. Ein „Menschenrecht auf ein Geheimnis“ will Haberer gesichert wissen.
Es gibt inzwischen die Aussteiger aus dem Netz. Selbst Pioniere der Entwicklung verzichten auf ein Smartphone. Der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl rät zum überlegten Umgang: Nur mit von der Partie zu sein, sei zu wenig, man müsse sich vor allem die Frage stellen: „Was will ich?“ „Ein Spaziergang mit einem jungen Menschen ist mir lieber als 1.000 Likes“, sagt er. Der burgenländische Superintendent Lars Müller-Marienburg sieht in den digitalen Medien auch für die Seelsorge „eine Ergänzung, wenn nichts anderes möglich ist“. Sie seien „jedenfalls besser als gar keine Kommunikation“, sagt er. Zwei Tage nach der Sommerakademie brach er mit Jugendlichen, mit denen er auf Facebook in Kontakt war, auf nach Taizé. Wonach Jugendliche im Netz suchten, sei nämlich die wirkliche Begegnung. «
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