Wort zum Sonntag
Diese Worte einer ukrainischen Frau, die nach ihrer Flucht am Bahnhof angekommen ist, haben mich tief bewegt. Der Krieg im Osten Europas, unserem Kontinent, den wir im Frieden wähnten, geht uns allen nahe. Das Leben ist vielen Menschen geblieben, es sind aber auch viele Menschenleben zu beklagen. „Ich habe meinen Glauben an Gott verloren“, sprach ein Mann einer ukrainischen Großstadt in die Kamera, dessen 2-jähriges Kind nach einem Bombenangriff in den Trümmern eines Wohnhauses verstorben ist.
Das, was in der Ukraine geschieht, nimmt unweigerlich mit hinein in den Karfreitag. Das Leiden unschuldiger Menschen, die Sinnlosigkeit von Krieg, das gegenseitige Aufrüsten sowie die Hilflosigkeit und Ohnmacht der Menschen sind am Todestag Jesu präsent. Billige Vertröstung hilft nicht weiter, auch die Frage nach Gott ist auszuhalten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Was bleibt, sind das Schweigen und die Traurigkeit der Mater Dolorosa, der Mutter Jesu, die ihren toten Sohn nach der Kreuzabnahme beweint. Solche Situationen sind Teil des menschlichen Lebens und Alltags.
Zu uns flüchten Menschen, die vor zwei Monaten nie im Traum an eine solche Situation gedacht hätten. Die Hilfsbereitschaft in Österreich ist überwältigend. Unterkünfte wurden organisiert. Mit vielen kleinen, liebevollen Gesten wird versucht, ein Stück Alltag für die vertriebenen Menschen zu schaffen: Kinder gehen in die Schule, erhalten Unterricht und sozialen Anschluss – so gut es angesichts der traumatisierenden Situation geht. Unzählige Hilfslieferungen gehen in die Ukraine oder an die Grenze, es werden hohe Summen gespendet.
Es scheint, als wurde nach und nach die Fassungslosigkeit über den Krieg von einer Solidarität verdrängt. Einer Solidarität, die den Krieg ächtet und unsere Verbundenheit mit den Menschen in der Ukraine und die Sehnsucht nach Frieden ausdrückt.
Sehr viele Menschen beten für Frieden. Der Papst hat die Menschen insbesondere der Ukraine und Russlands in einer Weihe und im Gebet dem Unbefleckten Herz Mariens anvertraut. Jedes Gebet wird aus der unerschütterlichen Hoffnung heraus vorgebracht, dass in allem Scheitern noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Solange der Mensch betet, gibt er sich nicht auf. Die Hilfe, die Solidarität, das Gebet – all das sind Zeichen des Widerstands gegen den Tod. Es zeigen sich Spuren des Guten und des Lebens auch in dieser Zeit – es sind österliche Spuren.
Ostern ist die erfüllte Hoffnung auf Leben. Wir feiern die Auferweckung Jesu. Wir feiern das Wunder, dass Gott im Ende einen Anfang setzt. Vielleicht ist es kein Zufall, dass die Worte Wunde und Wunder heute noch ähnlich klingen. Das größte Wunder des Lebens ist die Heilung von Wunden, das Wunder der Wandlung vom Tod zum Leben.
Ein Wunder sind für mich alle österlichen Spuren, die ich gerade jetzt in dieser Zeit entdecke. Wann, wenn nicht zu Ostern, darf ich sagen: Ich hoffe auch auf das Wunder des Friedens.
Allen Leserinnen und Lesern der KirchenZeitung ein gesegnetes Osterfest!
+ Manfred Scheuer, Bischof von Linz
Wort zum Sonntag
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