Katharina Schindelegger (33) ist Theologin und Journalistin. Sie ist in den Pfarren Ober Sankt Veit und Unter Sankt Veit – Zum Guten Hirten (Wien 13) als Pastoralassistentin tätig.
Die Teilnehmer:innen einer österreichischen Reisegruppe, die in der Flughafenhalle auf die Einreise in den Oman warten, sind genervt. Die Warteschlangen scheinen endlos zu sein.
Plötzlich nimmt jemand einen angenehmen Duft wahr, den er nicht zuordnen kann. Es kommt Bewegung in die Reisegesellschaft. Das Wasser, das über Zerstäuber versprüht wird, ist mit Weihrauch versetzt.
Die folgende Plauderei über den Weihrauchduft lässt das Warten erträglicher und die Stimmung besser werden. Das war die erste Begegnung mit Weihrauch auf der Rundfahrt durch den Oman, weitere sollten folgen.
Oman, das Sultanat im Süden der arabischen Halbinsel, ist das Weihrauchland. Kein:e Tourist:in, der oder die nicht mehrere Päckchen Weihrauch als Mitbringsel mit nach Hause nimmt.
Für die Bewohner:innen des Oman gehört Weihrauch zum Alltag. In jedem Markt gibt es Läden, die übervoll mit kelchförmigen Tonschalen jeder Größe und Farbe sind. In ihnen wird das duftende Harz verbrannt.
Obwohl der Weihrauch allgegenwärtig ist, ist er kein billiges Massenprodukt. Er hat seinen Preis, auch für Einheimische. Vor allem die qualitativ hochwertigen Sorten kosten entsprechend viel. Gott sei Dank nicht mehr so viel wie zu jener Zeit vor rund zweitausend Jahren, als das Harz mit Kamelkarawanen vom heutigen Oman und Jemen durch die Wüsten Saudi-Arabiens, Jordaniens und den Sinai ans Mittelmeer gebracht wurde. Zur Bezahlung wurde Weihrauch mit Gold aufgewogen.
Das duftende Harz benötigte man in den Tempeln des gesamten römischen Reiches und darüber hinaus. Ohne Weihrauch kein Kult. Nur durch den richtig vollzogenen Kult konnte man die Gunst der Götter erwirken und hoffen, dadurch den Bestand von Städten und Reichen zu sichern. Das macht den Wert von Weihrauch verständlich. Das duftende Harz hat das Volk der Nabatäer, das jahrhundertelang bis etwa 100 nach Christus ein Monopol auf den Handel hatte, immens reich gemacht.
Reich ist der Oman auch – durch Erdöl und Erdgas. Der Weihrauch prägt aber bis heute den Lebensstil der Bewohner:innen. Der 21-jährige omanische Chauffeur der österreichischen Reisegruppe zündet beinahe täglich ein paar Körner Weihrauch an. Wenn seine Fahrgäste auf Besichtigung sind, holt er sein Equipment hervor: eine leere Konservendose, die er umdreht und auf deren Boden er einige Stücke Holzkohle legt. Mit einem Bunsenbrenner entzündet er diese und gibt die Harzkörner darauf.
Damit setzt er sich in den Schatten, manchmal auch nur in den Schatten des eigenen Autobusses, und genießt den Duft. Das würde ihn ganz wunderbar entspannen, sagt er. Wenn man seinen Fahrstil erlebt hat – auch im Stoßverkehr bleibt er souverän – ist man überzeugt, dass der Weihrauch seine Wirkung tut.
An ganz unterschiedlichen Orten findet man im Oman duftende Weihrauchschalen. Beim Eingang zu einem Museum zum Beispiel steht neben der Kassa ein Tonkelch, aus dem Weihrauchschwaden aufsteigen. Die junge Frau am Ticketschalter möchte damit ihre Gäste begrüßen, sie einfach mit einem angenehmen Duft empfangen, erklärt sie. Wer dahinter eine versteckte Werbemaßnahme vermutet, täuscht sich. Dort gibt es keinen Weihrauch zu kaufen.
Der Aspekt des Absichtslosen erinnert an die christliche Liturgie. „Wie Weihrauch steige mein Gebet vor Dir auf“ heißt es in einem Liedvers in Anlehnung an Psalm 141, Vers 2. Darin kommt das Vertrauen zum Ausdruck: Wie der Weihrauch „von selbst“ aufsteigt, so wird auch jedes noch so holprige Gebet seinen Weg zu Gott finden.
Das Lachen der österreichischen Reisegruppe war weithin zu hören, als ein Bäcker hinter seiner Verkaufstheke hervorkam und seine traditionelle omanische Kopfbedeckung in die Rauchschwaden hielt.
Auch das ist eine Funktion von Weihrauch: Er hat reinigende Wirkung und überdeckt den Schweißgeruch, der sich in der Kopfbedeckung festgesetzt hat. Das Ausräuchern in den Raunächten – die letzte Raunacht dieser Weihnachtszeit ist von 5. auf den 6. Jänner – greift die reinigende Kraft von Weihrauch auf, deutet sie aber mythisch. Es geht um die Vertreibung böser Geister aus Haus und Stall.
Übrigens: Wenn die Ministrant:innen in der Sakristei ab und zu nach Weihrauchkörnern greifen, um sie als Kaugummi zu verwenden, sollte man nicht mit ihnen schimpfen. Denn das zeigt bloß, dass der Herr Pfarrer offenbar einen äußerst hochwertigen Weihrauch eingekauft hat.
Nur Weihrauch von höchster Qualität lässt sich nämlich auch kauen, betonen die omanischen Händler und demonstrieren das auch selbst bei jedem Verkaufsgespräch. Weihrauch als Kaugummi soll hervorragend schmecken und obendrein sehr gesund sein.
Katharina Schindelegger (33) ist Theologin und Journalistin. Sie ist in den Pfarren Ober Sankt Veit und Unter Sankt Veit – Zum Guten Hirten (Wien 13) als Pastoralassistentin tätig.
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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