Wort zum Sonntag
Entlang des Alpe-Adria-Trails lassen sich die spirituellen Zentren und Kraftorte dreier Länder erwandern. Das Hineinschreiten in die Natur und die weitgehende Unberührtheit der Landschaft auf den Spuren der über Jahrhunderte hinweg entstandenen Zeichen des Glaubens wirken heilsam auf die Seele und eröffnen eine ganz andere Dimension der Wahrnehmung.
Wer kennt nicht das Zitat von Bischof Reinhold Stecher: „Viele Wege führen zu Gott. Einer geht über die Berge.“ Und das trifft ganz besonders für den Alpe-Adria-Trail zu, beginnt doch die erste Tagesetappe auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe am Fuße des Großglockners. Wer hier mit dem Blick zum Gipfel des mit 3.798 Metern höchsten Berges Österreichs in den Tag startet, hat zurecht das Gefühl, dem Himmel ein Stück näher zu sein. Da überkommt einen unweigerlich eine tiefe Dankbarkeit angesichts der herben landschaftlichen Schönheit, die fast wie von selbst in einem tief empfundenen Stoßgebet seinen Ausdruck findet.
Ausgehend vom Parkplatz bei der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe führt der Weg anfangs recht steil bergab Richtung Pasterzengletscher und via Sandersee und Margaritzenspeicher zum Leiterfall, der sogar in der ersten Strophe des Kärntner Heimatliedes Erwähnung findet. Nach knapp zwei Stunden Gehzeit erreicht man schließlich die Briccius-Kapelle, die als Kraftort gilt und deren Entstehungsgeschichte auf das Engste mit der Wallfahrtskirche in Heiligenblut verbunden ist. Hier auf 1.629 m Höhe wird bereits 1271 erstmals eine Kapelle, erbaut über der gleichnamigen Quelle, erwähnt, die heilende Eigenschaften besitzen und insbesondere bei Augenleiden helfen soll. Historiker vermuten, dass die erste Kapelle über einem heidnischen Quellheiligtum entstanden ist und erst später dem seligen Briccius gewidmet wurde. Das war im Mittelalter eine durchaus häufige Vorgehensweise im Zuge der Christianisierung des Landes. Das barocke Altarbild der Kapelle beschreibt in 16 Darstellungen die Bricciuslegende.
Der Überlieferung zufolge soll der dänische Prinz Briccius im Jahr 914 bei der Überquerung der Alpen Richtung Salzburg an dieser Stelle von einer Lawine verschüttet worden sein. Er führte eine Blutreliquie aus der Sophienkirche von Konstantinopel mit sich. Als die heimischen Bauern um die Weihnachtszeit ans Heuziehen in die Berge aufstiegen, entdeckten sie an jener Stelle, wo der Verschüttete lag, mitten im Schnee drei grüne Ähren und fanden beim Graben den darunterliegenden Leichnam. Sie luden diesen auf einen Karren, spannten zwei ungelernte Ochsen davor, und wo diese schließlich stehenblieben, entstand eine Kapelle, über welcher man im 14. Jh. die Wallfahrtskirche von Heiligenblut erbaute.
Solchermaßen in die Kirchengeschichte des oberen Mölltales eingetaucht, pilgert man in Gedanken versunken Heiligenblut, dem Zielort der ersten Etappe, entgegen. Auch hier sind an den Seitenwänden der Pfarrkirche in vierzehn großen Bildern die Lebensstationen des seligen Briccius dargestellt, der übrigens stets wie ein Heiliger verehrt, aber nie heiliggesprochen wurde. Links vom Hochaltar erhebt sich eine pyramidenförmige Säule, die fast bis zum Gewölbe reicht. Darin wird, in eine Monstranz gefasst, das wundersame Fläschchen mit dem heiligen Blut, nach welchem der Ort seinen Namen erhielt, verwahrt. In der Mitte der Kirche, die dem hl. Vinzenz von Saragossa geweiht ist, gelangt man in die Gruft des Briccius hinab. Auf dem Sarg liegt eine hölzerne Statue, den Heiligen vorstellend, die immer wieder erneuert werden musste, weil Pilger stets Splitter davon als Andenken mitnahmen.
Aus der dunklen Kirche wieder ans Tageslicht getreten, macht sich ein inneres Glücksgefühl breit über einen anstrengenden, aber in jeder Hinsicht erfüllten Tag, begleitet von einer mächtigen Felsszenerie, saftig grünen Almwiesen und dem rauschenden Wasser der sich den Weg ins Tal bahnenden Möll, der eigentlich erst der Start in ein noch weitere 42 Etappen umfassendes Wander- und Pilger-Abenteuer ist.
Beim Blick in die untergehende Sonne machen sich die Gedanken bereits vorauseilend auf die Reise in den Süden über die Nockberge, die Kärntner Seenlandschaft, die Karawanken und Julischen Alpen bis ins Socatal und weiter durch die zauberhafte Landschaft der Brda, die fruchtbare Ebene des Isonzo und über den hügeligen Karst ans Meer. Mit geschlossenen Augen lässt sich der Geruch des Salzwassers erahnen. Bis dahin ist es allerdings noch ein Stück des Weges voller Herausforderungen und Überraschungen und landschaftlich abwechslungsreich wie wohl kein zweiter in Europa.
Das Besondere am Alpe-Adria-Trail ist die landschaftliche und kulturelle Vielfalt. Ob Großglockner, die mittelalterlichen Kirchen oder die zahlreichen Seen Kärntens: Jeder Tag bietet ein einzigartiges Erlebnis. Zum Ausruhen und Kraftschöpfen bieten sich zahlreiche Gasthäuser, Hotels und kleine Beherbergungsbetriebe an. Wer unterwegs einen Gottesdienst besuchen möchte: kath-kirche-kaernten.at/landkarte/godi.
Weitere Informationen: Buchungscenter Kärnten, Trail Angels GmbH, 9821 Obervellach 15, +43 4782 93093, Mail: info@alpe-adria-trail.com, alpe-adria-trail.com oder trail-angels.com
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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