Wort zum Sonntag
Als ich vor fast schon zehn Jahren das erste Mal von der Marktgemeinde St. Anna am Aigen in der Südoststeiermark hörte, dachte ich als in Stadtnähe aufgewachsene junge Studentin: „Oh mein Gott …, keine Autobahn weit und breit und auch kein Bahnhof? Das liegt doch am Ende der Welt …“
Dann setzte ich erstmals meinen Fuß in die Gegend des südoststeirischen Hügellandes – von der Touristik auch pfiffig „Steirisches Vulkanland“ genannt – und war überrascht. Am ersten Sommerabend in meiner inzwischen neuen Heimat saß ich unter freiem Himmel und lauschte – was ich hörte? Nichts! Fast nichts. In der Ferne schrie irgendwo ein Käutzchen, und das, was ähnlich einem Bellen klang, sei ein Reh, lernte ich damals. Kein Autobahn-Rauschen oder das Rattern nächtlicher Güterzüge, wie ich es von daheim kannte.
Und dann der Sternenhimmel. Absoluter Toptipp: Nachts im Weingarten den Perseiden beim Schauern zusehen oder einfach nur die Milchstraße betrachten. Obwohl ich meine Kindheit nicht in einer Asphaltwüste verlebte, berührt mich die naturnahe Landschaft der Südoststeiermark immer wieder aufs Neue.
Die exponierte Lage an der Grenze zu Slowenien gibt der Gegend einen eigenen Charme. Wirtschaftlich lange wenig entwickelt, weil am Eisernen Vorhang gelegen, sprießen inzwischen immer neue Initiativen in der Region: von einer Kaffeerösterei über eine Alpaka-Zucht bis hin zur Fromagerie (Käserei). In der Landwirtschaft werden immer wieder neue Wege eingeschlagen. Einer meiner ersten Eindrücke von der Landschaft waren ganze Felder voller knorriger, niedriger Bäumchen – was wächst hier? Holler? Holunder kannte ich bis dato nur als wilden Strauch am Waldrand. Jedes Frühjahr darf ich nun im ganzen Haus den süßen Duft des Holunders genießen, wenn die Plantage in der Nachbarschaft in voller Blüte steht. Neben dem steirischen Ölkürbis, der das grüne Gold, besser bekannt als Kürbiskernöl, hervorbringt, und unterschiedlichsten Weinsorten, bauen findige Bauern und Bäurinnen auf süße Früchtchen wie Heidel- oder Himbeeren. Auch die Aroniabeere hat in der Region Wurzeln geschlagen.
Wenn ich vor die Haustür trete, muss ich keine fünf Minuten gehen, um mitten im Wald zu stehen. Wer es gerne sportlicher hat, findet in und um St. Anna viele (Wander-)Wege. Allen voran der bekannte „Weinweg der Sinne“, der im Ortskern der Gemeinde, gleich in der Nähe der Gesamtsteirischen Vinothek, beginnt und bei der Pfarrkirche ein paar hundert Meter südlich endet. Dazwischen liegen aber knapp 14 abwechslungsreiche Kilometer Wegstrecke mit erlebnis- und genussreichen Stationen, voll von sinnlichen Eindrücken. Wem die große Route zu weit wird, der kann schon früher abzweigen und wird nach einem letzten scharfen Anstieg über die Leitn vom Kirchenriegel mit einem beeindruckenden Ausblick von der alten Wehrmauer rund um die Pfarrkirche St. Anna belohnt. An guten Tagen lässt sich im Süden bis zu den Skihängen des Pohorje in Slowenien blicken.
Geht man in die helle, freundliche Pfarrkirche, findet man sich wortwörtlich in der „Wohnung Gottes unter den Menschen“ (Off 21,3) wieder – so steht es jedenfalls in geschwungenen Lettern am Bogen über dem Altarraum. Am Hochaltar aus der Werkstatt von Veit Königer (verstorben 1792) kann man die beliebte Darstellung von Anna, die Maria das Lesen lehrt, betrachten.
Vom Stolz auf die Söhne und Töchter des Ortes, die einen geistlichen Beruf ergriffen haben, zeugt eine Glastafel im Eingangsbereich der Kirche. Neben berühmten Priestern, wie Kardinal Franz Andreas Frühwirth, Fürstbischof Leopold Schuster und Domkapellmeister Anton Lippe sind alle männlichen wie weiblichen geistlichen Berufungen des Ortes dort eingraviert – insgesamt 36 Priester- und 25 Ordensberufungen. So kam der Ort zu seinem Spitznamen „steirisches Betlehem“. Auch der Salzburger Erzbischof Franz Lackner, der neue Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz, stammt aus St. Anna.
Die Marktgemeinde St. Anna am Aigen liegt im südoststeirischen Hügelland, wo das Burgenland, die Steiermark und Slowenien aufeinandertreffen. Durch den Weinbau ist der Ort überregional bekannt geworden.
Alles rund um den Wein. Seit 1993 prägt die Gesamtsteirische Vinothek mit für die damalige Zeit futuristisch anmutender Architektur das Ortsbild von St. Anna am Aigen. In den letzten Jahren wurde am Hang unter der Vinothek ein Patenschafts- und Erlebnisweingarten angelegt und die „Lange Tafel“, ein Freiluft-Veranstaltungsort mit Outdoorküche, gebaut, die auch für private Feste und Feierlichkeiten mietbar ist. Der Sommer in der Südoststeiermark ist geprägt von Weinfesten: Das Fest Terra Vulcania, das den ganzen Ortskern von St. Anna für eine Nacht zum Brodeln bringt (inklusive Vulkanausbruch), oder die gemütlichen Straßenfeste wie das Kellerstöcklfest am Stradenberg oder „Ga’Weint gehen“ im nahen Klöch sind Anziehungspunkte für Einheimische wie „Zuagroaste“.
Wandern und Radfahren. Die sanften Hügel der Gegend ermöglichen auch gemächliche sportliche Betätigung. Viele Wanderwege laden zu Tagesausflügen und nachmittäglichen Spazierrunden ein. Allen voran der Weinweg der Sinne, der beim Gemeindeamt St. Anna am Aigen startet oder der in Tieschen gelegene Tau-Weg der Riede oder der Klöcher Traminerweg und viele mehr. Wer seinen Radius vergrößern möchte, kann sich auf das (mitgebrachte oder vor Ort ausgeliehene) Zweirad schwingen. Viele Radwege führen durch die Region – allen voran der Thermenradweg R12, der in Bad Radkersburg endet.
Auf einen Stadtbummel in Bad Radkersburg: Die südöstlichste Stadt der Steiermark ist einen Besuch wert. Durch die teils noch mit Murnockerln (Flusssteinen) gepflasterten Straßen und engen Gassen, zwischen den liebevoll gepflegten alten Häusern, flaniert es sich wie mitten in der Toskana. Und bei einem Stück Torte in der Kurkonditorei entfaltet sich typisch österreichisches Flair. Für Wasserratten sind die Thermen in der Region zu jeder Jahreszeit ein willkommener Ort zum Austoben oder Relaxen.
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Teil 5 von 10: Steiermark
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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