Wort zum Sonntag
Bischof Nikolaus von Myra, den wir am 6. Dezember feiern, bringt nicht nur milde Gaben: Er soll auf dem Ersten Konzil von Nicäa dem Theologen und Presbyter Arius eine Ohrfeige verpasst haben. So will es die Legende.
Wenn’s nicht wahr ist, so ist’s gut erfunden: Denn im übertragenen Sinne waren das Konzil und seine Lehre eine Ohrfeige für den im ägyptischen Alexandria tätigen Arius – und für den Rest der Kirche eine Richtungsentscheidung.
Aber der Reihe nach: Wie kam es zu dem Konzil, dem ersten der sogenannten ökumenischen Konzilien?
Nach den Zeiten der Christenverfolgung hatte die Herrschaft Kaiser Konstantins (gest. 337) die sogenannte Konstantinische Wende gebracht: Nicht nur, dass die Christen nicht mehr verfolgt, sondern toleriert wurden: Der Kaiser privilegierte und förderte sie. Das hatte durchaus handfeste Gründe: Die derart gefestigte Kirche sollte im Ausgleich auch die kaiserliche Herrschaft stützen und begünstigen. Voraussetzung dafür war aber eine geeinte Kirche, nicht eine zerstrittene. Deshalb bereitete es nicht nur den Bischöfen, sondern auch dem Kaiser Sorgen, dass sich der Streit um die Lehren des Arius in Nordafrika verbreitete.
Sankt Nikolaus schlägt Arius, mittelalterliche Ikone.
Arius war ab 318 mit dem Bischof Alexander von Alexandria in eine theologische Auseinandersetzung über die Gottheit Christi und sein Verhältnis zu Gott Vater gekommen. Arius war nicht der erste, der diese Frage aufwarf, aber er spitzte sie in einer Weise zu, die eine Entscheidung notwendig machte. Laut Arius’ Thesen ist nur Gott Vater ewig im Sinne von „ungeworden“, alles andere wäre daher ein Geschöpf. Christus wäre demnach auch eine Schöpfung und es müsste eine Zeit geben, in der Christus noch nicht existiert habe. Immerhin billigte Arius Christus zu, „vollkommenes Geschöpf“ zu sein. Dennoch benutzte er das Wort „Gott“ für Christus „sozusagen nur in Anführungszeichen“, wie das Joseph Ratzinger einmal umschrieben hat.
Der Streit um die Gottheit Christi zog Jahr für Jahr weitere Kreise, bis der Kaiser selbst die Reißleine zog und für Mai 325 eine Kirchenversammlung in Nicäa (heute İznik in der Türkei) einberief – nicht allzu fern von Konstantinopel, dem heutigen Istanbul. Es war also kein Bischof, auch nicht jener von Rom, der diesen Schritt setzte, sondern ein Kaiser, der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht getauft war. Die späte Taufe war damals verbreitet, da man mangels entwickelter Bußlehre in der Kirche nicht recht wusste, wie man den durch die Taufe erlangten Stand der Gnade nach neuerlichem Sündigen wiederherstellen sollte. Also wurde spät getauft, um vor dem Tod nicht mehr sündigen zu können.
Angeblich 318 Bischöfe (vermutlich aber weniger) versammelten sich schließlich, begleitet von Priestern und Theologen, in Nicäa. Arius war aufgrund kaiserlicher Anordnung angereist.
Natürlich nutzte man diese Zusammenkunft nicht allein zur Klärung des arianischen Streits. Andere Themen waren zum Beispiel die Bindung von Priestern an die Ortskirchen, Aspekte des Zugangs zum Priesteramt, die besondere Autorität der Bischöfe von Alexandria, Antiochia und Rom und der Ostertermin.
Doch die Entscheidung, die bis heute im kirchlichen Verständnis die wichtigste ist, blieb jene über das Verhältnis von Gott Vater und Gott Sohn. Den Arianern standen jene gegenüber, die lehrten, Christus sei mit dem Vater wesenseins bzw. wesensgleich (homoousios). Eine dritte Gruppe stand inhaltlich dazwischen. Sie berief sich zum Teil auf den Theologen Origenes (185–254).
Durchgesetzt hat sich letztlich die Lehre, dass Gott Sohn eines Wesens mit dem Vater ist. Real unterschieden werden sie in ihren Personen (bzw. Hypostase/Seinsformen). Diese Entscheidung schlug sich letztlich im Nicäischen Glaubensbekenntnis nieder, dem die offizielle Verwerfung von einigen arianischen Aussagen angehängt war. Dieses Bekenntnis ist später ins Große Glaubensbekenntnis (Gotteslob 586, 2) eingeflossen. Darin erinnert insbesondere diese deutliche Passage über Christus an den Streit mit Arius: „gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“.
Inwieweit Kaiser Konstantin auf die Inhalte der Konzilsbeschlüsse selbst Einfluss nahm, ist umstritten. Klar ist jedoch, dass er Widerständige mit der Drohung der Verbannung zum Einlenken drängte – erfolgreich: Nur drei Teilnehmer – Arius sowie zwei ägyptische Bischöfe – unterzeichneten das Ergebnis nicht. Arius wurde von Konstantin zwar verbannt. Das tödliche Schicksal späterer verurteilter Häretiker wie bereits Priscillian (gest. 385) blieb ihm erspart. Gegen Ende seines Lebens dürfte er wieder in die Kirche aufgenommen worden sein bzw. stand kurz davor. Ob er danach erneut ausgeschlossen wurde, ist umstritten.
War damit der Arianismus abgehakt? Keineswegs: In der kirchlichen Lehre zogen sich die Debatten weiter bis zum Ersten Konzil von Konstantinopel (381). Im Zuge eines ausgeprägten Hin und Her taufte mit Eusebios von Nikomedien ausgerechnet ein Bischof, der als Origenes-Anhänger der Lehre des Arius nicht völlig ablehnend gegenübergestanden hatte, den sterbenden Kaiser Konstantin. Dieser hatte sich selbst nach dem Konzil wieder von den Beschlüssen von Nicäa entfernt: Ihm war es ja vor allem um eine Befriedung der Kirche gegangen, nicht um theologische Fachfragen.
Das Erste Konzil von Konstantinopel bekräftigte schließlich die Lehre des Konzils von Nicäa. Hier entstand dann jenes Glaubensbekenntnis, das bis auf wenige Unterschiede weitgehend dem heutigen Großen Glaubensbekenntnis entspricht. Das Bekenntnis von Konstantinopel teilt in der griechischen Originalsprache 80 seiner 174 Worte mit dem Bekenntnis von Nicäa. Die Erweiterungen betreffen unter anderem Aussagen über den Heiligen Geist, die Kirche, die Taufe, die Sündenvergebung und die Auferstehung.
Wenn es nun von der Lehre her Klarheit gab, traf das im wirklichen Leben noch nicht zu: Der Arianismus existierte weiter, insbesondere in der Zeit der Völkerwanderung lässt er sich nachweisen: Gotenkönig Theoderich der Große (6. Jahrhundert) war arianischer Christ, bei den Langobarden hielt sich diese Strömung bis ins 7. Jahrhundert. Erst der Aufstieg der Frankenkönige, die sich für die nicäische Richtung entschieden hatten, ließ den Arianismus verschwinden. Insofern benötigte die legendarische Ohrfeige für Arius einen langen Nachhall.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>