Wort zum Sonntag
Sie können aber auch das Gegenteil bewirken, indem sie andere ausschließen, bestimmte soziale Gruppen abwerten oder Menschen voneinander trennen und somit Beziehung im Keim ersticken. In so einem Fall müssen Grenzen entweder neu gezogen oder gänzlich überwunden werden, um Leben in Fülle zu ermöglichen.
Genau das gehört zu den Hauptanliegen der Apostelgeschichte. Das wird bereits im Auftrag des Auferweckten deutlich, der am Beginn des Buches die Richtung vorgibt: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.“ (Apg 1,8) Damit wird deutlich, dass die Botschaft Jesu nicht auf die Regionen seines irdischen Wirkens beschränkt bleiben soll. Damit ist aber auch von Anfang an klar, dass auf dem Weg der ersten Christ/innen nicht nur geografische Grenzen überschritten werden.
Schritt für Schritt geht es aus dem jüdischen Kernland um Jerusalem heraus und bereits mit der Verkündigung im benachbarten Samarien (Apg 8,5–25; vgl. auch Lk 17,11–19 bzw. Joh 4) wird eine kulturell-religiöse Barriere überwunden. Doch wirklich ernst wird es, wenn die Botschaft Jesu auch zu den Nichtjuden getragen wird und sie diese auch annehmen, ohne selbst die Traditionen des Judentums, inklusive der Beschneidung, zu übernehmen.
Lukas nimmt sich viel Zeit, um den Beginn der Heidenmission zu erzählen. Mit großem Aufwand schildert er, wie Petrus, von einer Vision geleitet, erst langsam alle Zweifel überwindet und den heidnischen Hauptmann Kornelius tauft (Apg 10). Bis allerdings auch nichtjüdische Christ/innen auf Augenhöhe als gleichwertig anerkannt werden, bedarf es noch vieler Auseinandersetzungen und Diskussionen.
Wer aber genau auf den Text der Apostelgeschichte blickt, sieht, dass gerade diese Grenze zuerst überwunden wird, und zwar durch die entschlossene Tat des Philippus. Er war keiner der Zwölf und brauchte auch keine göttliche Vision, um Grenzen zu überschreiten. Vielmehr hatte er ein offenes Ohr für die Bedürfnisse eines äthiopischen Kämmerers (vgl. Apg 8,26–40), den er auf dessen langem Weg der Gottsuche traf. Philippus kommt mit ihm über das Wort Gottes ins Gespräch, verkündet ihm die gute Nachricht der Auferstehung Jesu und tauft ihn schließlich auf dessen Bitte hin, obwohl er weder beschnitten noch Jude ist, kein Glaubensbekenntnis formuliert und auch keiner Gemeinde angehört.
Die Apostelgeschichte schildert den Beginn der frühen Kirche als einen Weg der steten Öffnung hinein in die kulturelle Vielfalt des römischen Weltreichs. Dies geschieht aber nicht im Sprung, sondern bedarf vieler Schritte: entschiedener Taten, Zeiten des Reflektierens und offener Diskussion, aber auch klarer Entscheidungen von Führungspersönlichkeiten. Spannend ist, dass dabei nicht jeder gleich schnell voranschreitet, die vollzogene Taufe des Kämmerers etwa wird erst viel später von „offizieller Seite“ her legitimiert.
In der Apostelgeschichte wird bewusst zurückgeblickt: auf die Zeit der frühen Kirche, aber auch auf das Wirken Jesu und die Geschichte Israels. Dieser dreifache Blick in den Rückspiegel soll helfen, die Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen. Für uns heute kann dieser Blick zurück dazu ermuntern, jene Grenzen, die seither gezogen worden sind, wieder neu zu hinterfragen und sie, wenn nötig, zu überwinden. «
Apostelgeschichte.
Impulse für die Kirche
von heute – Teil 2
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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