Nichts kann mehr überraschen, so scheint es. Doch die Kunststücke im Circus Pikard begeistern. Von der Gründerin Elisabeth Schneller bis zur Enkelin Gloria arbeitet die ganze Familie im einzigen österreichischen Zirkus mit. Von 26. bis 28. Juli gastiert er in Grein.
Ausgabe: 2013/30, Zirkus, Picard, Schneller
23.07.2013 - Christine Grüll
Iwona fällt. Ein Aufschrei geht durch das Publikum. Doch die Artistin schwingt weiter hoch oben im Zirkuszelt, das Trapez in den Kniekehlen. Scheinbar schwerelos lässt sie sich am Seil zurück auf den Boden gleiten. Und schon beginnt die nächste Nummer.
Eine Zirkusfamilie
„Der Zirkus an sich hat eine lange Tradition“, sagt Elisabeth Schneller, Direktorin des Circus Pikard. Sie hat ihn 1989 mit ihrem Mann Ernö gegründet. Seit er vor neun Jahren überraschend gestorben ist, führt sie den Zirkus, unterstützt von ihren Kindern. Romana und Schwiegersohn Balazs arbeiten artistisch. Die sechsjährige Enkeltochter Gloria tritt im glitzernden Kostüm auf, wenn sie es selbst möchte. Stolz ist Frau Schneller auch auf ihren Sohn Alexander. Er fasziniert mit seiner Jonglierkunst und führt routiniert durch die Vorstellung.
Lambada in der Manege
Leuchtende Sterne und mitreißende Musik verwandeln die Manege in eine geheimnisvolle Welt. Alexander Schneller wirbelt Bälle, Keulen und Ringe durch die Luft. Mit drei Jahren war er nicht mehr aus der Manege zu bekommen, erzählt seine Mutter: „Er tanzte Lambada.“ Mit fünf Jahren fuhr er Einrad und mit 13 konnte er sich mit erwachsenen Jongleuren messen. Er wird einmal die Leitung des Betriebs übernehmen – ein Glücksfall, den sich wohl jedes mittelständische Familienunternehmen wünscht.
Das treue Publikum
Vierzehn Personen leben von den Einnahmen, und die sind an heißen Tagen, wenn nur ein Bruchteil der 450 Sitzplätze belegt ist, gering. Besser ist es im Frühjahr und im Herbst. Dann gastiert der Zirkus in Städten um Wien, in der Heimatgemeinde Hollabrunn oder wie jedes Jahr bei den Nö. Kindersommerspielen im Stift Herzogenburg. Das Stammpublikum schätzt das wechselnde Programm, die ästhetische Akrobatik und die schreiend komischen Nummern. „Die Begeisterung fehlt in Oberösterreich noch“, bedauert Elisabeth Schneller. Genauso fehlen mittlerweile die Zehn- bis Zwölf-Jährigen im Publikum. „Die haben wir an die Computerspiele verloren.“
Unterwegs im Wochenrhythmus
Die gebürtige Pulkauerin lernte ihren Mann, Sohn einer Zirkusdynastie, als junges Mädchen kennen. Die „Private“, wie alle außerhalb der Zirkuswelt genannt werden, erlernte Kunststücke. Seitdem ist die Familie unterwegs. Auf einen Reisetag folgen ein Ruhetag und der Zeltaufbau. Gespielt wird an drei Tagen mit jeweils nur einer Vorstellung, um die Artist/-innen zu schonen. Erst im Winterquartier in Hof am Leithaberge bleibt Zeit, um am neuen Programm zu feilen.
Der einzige österreichische Zirkus
Der Circus Pikard unterscheidet sich von anderen nicht nur, weil er der einzige österreichische Zirkus ist. Die Arbeiter und Artist/innen sind versichert, Gebühren werden pünktlich bezahlt und die Standplätze sauber verlassen. Den Tieren – Ponys, Ziegen, Tauben – geht es gut. Der Fleiß, der Ehrgeiz und die Liebe der Mitwirkenden zum Zirkus machen es möglich, dass er sich selbst erhält. Elisabeth Schneller wünscht sich nur eines von den Gemeinden, in denen sie gastieren: daß der Circus Pikard nicht wie irgendein Gewerbe behandelt wird. Sondern als seriöser Vertreter einer sehr alten Kultur.
Gastspiel in Grein: Freitag bis Sonntag, 26. bis 28. Juli, jeweils 17 Uhr, sonntags 15.30 Uhr, www.circus-pikard.at