Eine neue Trendsportart zeichnet sich ab. Auch in Linz entdecken immer mehr Kletterer die städtische Umgebung für sich. Hausfassaden, Brückenpfeiler und Mauern werden dabei zum Abenteuerspielplatz.
„Urban Boulder“ (Städtisches Blockklettern), so nennt sich die junge Disziplin des Klettersports, in der nicht mehr traditionelle Kletterwände in den Bergen erklommen werden, sondern nach Herausforderungen in der Stadt gesucht wird. „Ich klettere gerne im Freien, habe aber nicht immer die Zeit in den Wald zu einer Felswand zu fahren.“ erzählt Thomas Pötsch. Was als notgedrungene Alternative begonnen hat, bedeutet für den 22-Jährigen mittlerweile die Rückeroberung der Großstadt. Wenn Thomas Pötsch durch Linz schlendert, nimmt er seine Umgebung anders wahr als die meisten. Eine Steinmauer ist für ihn nicht bloß eine Steinmauer. Er streift mit seinen rauen Handflächen über ihre Struktur und ertastet dabei Einkerbungen, Vorsprünge und Risse. Vor seinem geistigen Auge enstehen Bewegungsabläufe, eine Linie, die die ausgemachten Punkte miteinerander verbindet. Wie gerne hätte er jetzt seine Kletterschuhe dabei. Schon bald wird er an die Stelle zurückkehren, um sie auszuprobieren.
Kurze, anstrengende Routen
Für das Hobby Urban Boulder benötigt man nicht besonders viel Ausrüstung: Kletterschuhe, Magnesium gegen schwitzende Hände und eine Matte genügen. Ziel ist nicht, den höchsten Punkt einer Route zu erreichen, sondern möglichst schwierige und vor allem anstrengende Züge zu meistern. „Es ist total stressfrei. Man trifft sich mit Freunden und trainiert ein, zwei Stunden ohne was dafür zu bezahlen“, erklärt Pötsch. Begonnen hat der Student mit der städtischen Kletterei in Wien, wo mittlerweile eine richtige Urban-Boulder-Community existiert. „Es gibt ein paar sehr beliebte Plätze, dort trifft man verschiedene Leute, mit denen man sich auch austauschen kann.“ Pötsch berichtet seinen Freunden aber auch gern von neuen Klettereien in der Stadt, die er entdeckt hat.
Das Interesse steigt
Dass der Sport inzwischen professionelle Züge angenommen hat, zeigt der Urban-Boulder Wettbewerb „The Crux“ (www.the-crux.at), der heuer im Sommer zum ersten Mal in Linz stattgefunden hat. An mehreren Standorten wie dem Donaupark oder Steinmauern entlang der Donau wurde um die Wette geklettert. Die Szene ist noch überschaubar, aber immer mehr Kletterer entdecken die Stadt für sich. Die Verantwortlichen wollen auch nächstes Jahr wieder ein „The Crux“ in Linz veranstalten.
Rechtliche Grauzone
Bei Veranstaltungen wie „The Crux“ bewegen sich die Stadtkletterer in einer gesetzlichen Grauzone. Häuser, Bushaltestellen, Eisenkostruktionen, Glasfassaden, Brücken und Skulpturen sind beliebte Gelegenheiten. Vieles davon geht an die Grenzen des Erlaubten. „In Wien ist die Exekutive schon ziemlich streng, aber solange wir nur auf Graffiti-bemalten Steinwänden am Donaukanal herumklettern, sagt keiner was“, so Pötschs Erfahrungen. Werden die Stadtkletterer an harmlosen Plätzen gestellt, dürfen sie meist weitermachen. Private Gebäude sind hingegen tabu. Für Pötsch muss jeder selbst einschätzen, wie weit er gehen kann. Dort, wo man Sachen beschädigen oder sich selber verletzen kann, hört für ihn der Graubereich auf. „Mir gehts um die Bewegung, um das Körpergefühl. Es macht ganz einfach Spaß, die Stadt mit den Augen eines Kletterers zu entdecken.“ Die attraktivsten Routen werden übrigens von den Kletterbegeisterten im Internet zusammengetragen. www.urban-boulder.com