Große Kluft zwischen Kirchenbasis und offizieller Morallehre
Noch rauchen die Köpfe und die Computer: Denn am Sonntag (26. Jänner) fahren die österreichischen Bischöfe zu ihrem Ad-limina-Besuch nach Rom. Und da sollen die Ergebnisse über die Befragung zu Ehe- und Familienthemen in ihrem Gepäck sein.
„Ich kenne eine Frau, die ist unschuldig geschieden und hat danach wieder geheiratet. Sie war im Pfarrgemeinderat aktiv, singt im Kirchenchor, ist mit uns auf Pilgerwegen unterwegs und betet mit ihren Enkeln. Zur Kommunion aber darf sie nicht gehen. Fair ist das nicht!“ So steht es in einer Antwort auf den Fragebogen zu „Ehe, Familie und Kirche“. In einer weiteren Stellungnahme heißt es: „Bin ich ein schlechter Mensch, weil ich nach der Scheidung wieder geheiratet habe? Würde mich Jesus deswegen verurteilen?“
Unbarmherziger Umgang mit Wiederverheirateten
Ob nun der von mehreren Diözesen (Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz und Salzburg) verwendete Kurzfragebogen oder die Auswertung der Antworten auf den vatikanischen Originalfragenkatalog: die kirchliche Lehre zum Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten wird durchwegs als „unbarmherzig, ausgrenzend und unchristlich empfunden“, sagt Josef Lugmayr von der Abteilung Ehe und Familie der Diözese Linz. „Das ist sicherlich ein zentrales Thema, dem sich die Bischofssynode wird stellen müssen“, meint Gerhard Hofbauer. Das von ihm geleitete Grazer Familienreferat hat in den vergangenen Tagen 25.174 „Kurzfragebögen“, die sowohl online als auch schriftlich (6476) eingegangen sind, ausgewertet. 96 Prozent der Befragungsteilnehmer/innen sprachen sich dafür aus, geschiedene Wiederverheiratete zur Kommunion und zur Beichte zuzulassen. „Da gibt es auch kaum Unterschiede zwischen den Altersgruppen und den von uns angeschauten fünf Diözesen“, betont Hofbauer. Und wie Lugmayr verweist er darauf, dass viele Seelsorger/innen bereits „pastorale Lösungen“ praktizieren, wofür es auch mehr oder weniger offen ausgesprochene Regelungen gebe. Dass durch die Freiburger Handreichung dieses Thema seit einiger Zeit wieder offen diskutiert werde, findet Lugmayr gut. Er verweist dabei auf die Auswertung der 276 Antworten auf den vatikanischen Originalfragebogen in Linz, davon 60 aus Pfarren: „Eindringlich verlangt wird, dass sich kirchliche Normen und Gesetze auch daran orientieren, dass trotz bester Absicht, trotz Bemühen und trotz Unterstützung von außen Beziehungen auch scheitern können.“
Das Pillenverbot in der Kritik
Auch zu einem weiteren „heißen Eisen“, das im vatikanischen Fragebogen angesprochen wird, erteilen jene, die an der Befragung teilnahmen, der kirchlichen Lehre eine klare Absage: 95 Prozent halten das Verbot von Kondom und Pille als Mittel zur Empfängnisverhütung für falsch. „Die Paare wollen in ihrer Gewissensentscheidung, wie sie verantwortete Elternschaft konkret leben, ernst genommen werden“, sagt Lugmayr. Indem die Kirche die Methodenfrage so hochgespielt habe, „hat sie viel von ihrer Glaubwürdigkeit im Bereich Ehe und Familie, wo sie durchaus Wertvolles zu bieten hätte, verspielt“, meint Gerhard Hofbauer. Er hofft darauf, dass da durch Papst Franziskus die Gewichte neu gesetzt werden. Schließlich habe er mehrfach kritisiert, dass manche Priester häufiger über die Empfängnisverhütung sprechen als über die Liebe Gottes. Und bei noch einem „heißen Eisen“ folgen die Gläubigen nicht der „offiziellen“ kirchlichen Haltung: 71 Prozent teilen nicht die ablehnende Einstellung zu gleichgeschlechtlichen „eingetragenen Partnerschaften“.
Anliegen Glaube
Als Herausforderung an die Familienpastoral sieht Hofbauer, dass es 90 Prozent ein Anliegen ist, ihren Glauben an die Kinder weiterzugeben, gleichzeitig aber 80 Prozent sagen, dass dies heute schwierig ist – vor allem in Hinblick auf Jugendliche. Immerhin fühlen sich zwei Drittel der Befragungsteilnehmer/innen von der Kirche ermutigt, in ihrer Familie zu beten oder über Gott zu reden. Vor allem Familien-Angebote zum Kirchenjahr werden da positiv bewertet.
Zur Sache
An den Gräbern der Apostel
„Da schlage ich an meine Bischofsbrust: Wir haben uns (in Rom) sicher zu wenig getraut zu sagen, was unsere Situation erfordert und wie wir die Dinge sehen“, sagte kürzlich Kardinal Christoph Schönborn im Gespräch mit dem Journalisten Peter Huemer. Nächste Woche haben die österreichischen Bischöfe Gelegenheit dazu, ungeschminkt zu sagen, was die Menschen über Ehe und Familie und über die Positionen und Angebote der Kirche denken. Denn dann werden sie im Rahmen ihres „Ad-limina-Besuches“ dem Papst und den zuständigen römischen Dikasterien auch über die Ergebnisse der Befragung zur Bischofssynode berichten. Vermutlich wird das Interesse in Rom durchaus groß sein, denn es ist immerhin der erste „Befragung“, mit der ausdrücklich erkundet werden sollte, was die Menschen denken. In Österreich gab es dazu, vor allem durch die gut aufbereiteten Kurzfragebögen ein enormes Echo.
Der „Ad-limina-Besuch“, früher eine Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, dient laut Kirchenrecht heute vor allem der Information, der Instruktion und dem Gedankenaustausch zwischen den Bischöfen und dem Papst bzw. den Vertretern römischer Ämter. Alle fünf Jahre sind entsprechende Ad-limina-Berichte nach Rom zu senden. Die Besuchsintervalle wurden in den vergangenen Jahren allerdings länger; Österreichs Bischöfe waren zuletzt 2005 zur Ad-limina-Visite in Rom.