Zierlich. Zerbrechlich. Schutzlos ausgeliefert. – So stellt sich diese Christusfigur auf dem Kreuz dar. Wo ist das Stück Stoff, das Jesu Nacktheit bedeckt? „Ich war nackt und ihr habt mich bekleidet.“ Diese Bibelstelle (Mt 25,36) drängt sich beim Betrachten des Kreuzes auf. Gewaltsam wurde Jesus seiner Kleider beraubt. Diese Bloßstellung führt dieses Kreuz unbarmherzig vor Augen. Gerade dadurch zieht Christus den Betrachter in seine Nähe, so vertraut, wie man sich nur einem Vertrauten zeigt. Nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich ist Nacktheit ein sensibles Thema. Auch in der Kunst. Der hier gezeigte „Nackte Christus“ ist Teil der Gotik-Sammlung des Oö. Landesmuseums. Besonders in der Gotik und Renaissance gab es eine Reihe von vergleichbaren Werken, auch von Michelangelo in einer Kirche in Florenz – wo es viele solcher Christusfiguren gab. Der Gekreuzigte war nackt dargestellt. Oftmals wurden Lendentücher aus einer Masse von Gips, Asche, Lumpen und Leim hergestellt. Diese bedeckten die Scham. Darüber hinaus trug der hier dargestellte Gekreuzigte eine Perücke aus echten Haaren. Heute – Jahrhunderte später – berührt und irritiert die Darstellung des nackten Christus noch immer. Eine Anfrage an die Betrachter/in bleibt: Welches Bild habe ich von Jesus Christus?