Wie sehr der Ritus der Fußwaschung jede gewohnte Ordnung auf den Kopf stellt und gleichzeitig die Gottesdienstbesucher mit ihrem eigenen Leben konfrontiert, wurde bei der heurigen Feier des Gründonnerstags in der Strafanstalt Garsten deutlich.
Man hätte ein Stecknadel fallen gehört, als Gerhard N. den Fuß von Alphonso nahm, Wasser darübergoß und ihm den Fuß abtrocknete. „Warum ich?“, hat sich Alphonse gefragt, als er eingeladen wurde, sich für den Ritus zur Verfügung zu stellen: „Ich habe eine Sünde begangen, ein große Sünde, ich kann doch dafür nicht geeignet sein.“ Schließlich hat ihn überzeugt, dass der Apostel Petrus dasselbe gesagt hat, wie im Johannesevangelium zu lesen ist: „Herr, du willst mir die Füße waschen? Niemals. – Dann hast du keinen Anteil an mir. – Dann nicht nur die Füße, sondern auch Hände und Haupt.“ (Joh 13,6-9).
Umgang mit Schuld
Schon bei einem Gottesdienst „in Freiheit“ ist die Fußwaschung eine Zeichenhandlung, die verstört; im Gefängnis ganz besonders. Denn der Ritus reißt die zentrale Lebensfrage der Insassen auf, die in Garsten alle wegen sehr schwerer Delikte inhaftiert sind: Wie erfahre ich Vergebung? „Mit dem Tod des Opfers nur irgendwie zurechtzukommen – viele sind wegen Tötung hier –, ist für die Täter eine ungeheure Herausforderung“, erklärt Kamptner. Nicht alle Gefangenen können ihre Gefühle in Worte fassen, aber der eine oder andere bringt es wie Arthur N. auf den Punkt und sagt: „Ich habe eine unstillbare Sehnsucht nach Vergebung.“
Gefangenencursillo Garsten
Zurück in die Anstaltskirche zur Feier des Letzten Abendmahls. An die 20 Häftlinge sitzen um den Altar gemeinsam mit Mitgliedern der Cursillobewegung. Einmal im Monat kommt die Gruppe unter der Leitung von Franz und Maria Mayr aus Kremsmünster in die Strafanstalt Garsten – seit 1979, seit 35 Jahren. Neben einem dreitägigen Glaubenskurs für die Gefangenen ist die Messfeier am Gründonnerstag immer ein Höhepunkt im Jahresablauf. Bei den monatlichen Treffen wird oft eine Bibelstelle erarbeitet oder das Leben eines Heiligen vorgestellt. Ebenso wichtig sind dann die Gespräche beim anschließenden gemütlichen Teil bei Kaffee und Kuchen.
Die Treue zählt
Nach der Gründonnerstagsliturgie gibt es für jeden Gefangenen ein Palmbeserl, das er sich auf die Zelle mitnehmen kann, und Ostereier. „Kleinigkeiten spielen im Gefängnisalltag eine große Rolle. Das können wir uns gar nicht vorstellen“, sagt Kamptner. Darum ist er für den „Gefängniscursillo Garsten“ so dankbar. Und besonders für ihre Treue. Denn Gefangene erleben, dass im Laufe der Jahre viele Beziehungen nach draußen zerbrechen. Da erscheint die Treue der Cursillos wie ein Wunder. „Es ist ein Wahnsinn, dass ihr euch um uns Abschaum kümmert‘s und uns mit Respekt behandelt‘s“ hat ihnen ein Gefangener einmal gedankt.
Zum Thema
Justizanstalt Garsten.
Die Gestaltung der heurigen Osterkerze für die Anstaltskirche in Garsten hat der Häftling Gerhard N. übernommen. Im Gespräch mit der Gefangenenseelsorgerin Gudrun Schnaubelt hat er sich für das Motiv des Lammes entschieden.