Rund 71.000 Menschen gingen im Jahr 1930 allein in der Jesuitenkirche in Linz zur Beichte. 23.000 waren es 1984 noch, und jetzt sind es jährlich zwischen 1000 und 1500 – erzählt P. Michael Messner SJ. Kein anderes Sakrament ist so sehr in die Krise gekommen wie die Beichte.
Ausgabe: 2014/21, Beichte, Rosenberger, Messner
20.05.2014 - Matthäus Fellinger
Evangelische und katholische Seelsorger/innen suchten am 14. Mai im Bildungshaus Puchberg nach einem angemessenen Umgang mit diesem Phänomen. Deutlich wurde: Die Beichte wird wenig in Anspruch genommen, der Umgang mit Schuld, Vergebung und auch Heilung ist dennoch ein brennendes Thema des Menschseins in der heutigen Welt. Man soll, so meinte der Moraltheologe Michael Rosenberger, den Grund für den Rückgang der Beichtpraxis nicht vordergründig in einem Mangel an Schuldbewusstsein suchen. Die Menschen fänden mit ihrer Schuld jedoch nicht mehr zur Einzelbeichte. „Mir scheint, dass wir in vielen Fällen unsere Versöhnungsangebote nicht dort machen, wo sie gebraucht werden“, vermutet Rosenberger. „Dass jemand da ist und Zeit für die Menschen hat“, hält Pfarrer Franz Wild (Traun) auch heute für wichtig. Die Zeit in Aussprachezimmer oder Beichtstuhl sei keine verlorene Zeit, selbst wenn wenige sie in Anspruch nehmen. Bewusster gelte es zu machen, dass in jedem Gottesdienst Heilung und Vergebung geschehen.
Auch Opfer im Blick. Rosenberger plädiert dafür, an besonderen Orten – wie etwa den Wallfahrtsorten – speziell qualifizierte Beichtpriester einzusetzen. Das Kirchenrecht sieht für die Beichte sogar eine eigene Beauftragung vor. Sie ist nicht automatisch mit der Priesterweihe gegeben – denn nicht jeder Priester habe auch die entsprechende Eignung. Diese Tatsache sollten die Bischöfe ernster nehmen, meint der Moraltheologe. In jedem Dekanat sollten ein, zwei Priester sein, die dafür eine besondere Gabe hätten, meint er. Mit Zustimmung der Beichtenden könnten Priester sich auch den Rat von Fachleuten, etwa Psychologen, holen. Für viele Menschen vermischt sich das Motiv, beichten zu wollen, mit dem Wunsch nach Beratung, wie es weitergehen kann. Da brauche es auch Spezialist/innen, meint Rosenberger. Er regt an, neue Formen „kollektiver Versöhnung“ zu entwickeln – und der Versöhnung von Tätern und Opfern mehr Augenmerk zu schenken. Die Kirche wendet zurzeit viel Aufmerksamkeit dem Schuldigen zu, wenig den Opfern, meint Rosenberger.