Das Bild einer bärtigen Frau findet sich nicht nur auf sämtlichen Titelseiten dieser Tage. Auch in manchen Kirchen gibt es mittelalterliche Darstellungen von barttragenden Frauen bzw. Männern in langen Kleidern. Die heilige Kümmernis, die „Wilgefortis“ rückt medial wieder ins Bewusstsein.
Wilgefortis heißt übersetzt „von starkem Willen“. Bekannt ist sie auch als hl. Kümmernis, eine mythologische Volksheilige aus dem Mittelalter. Meist wird sie als barttragende Frau, die mit ihren Kleidern ans Kreuz genagelt wurde, dargestellt. Vor ihr kniet ein geigenspielender Mann. Die Legenden dazu variieren. Erzählt wird zum Beispiel Folgendes: Die hl. Kümmernis sei die Tochter eines portugiesischen Heidenkönigs gewesen. Sie sollte als Christin einen heidnischen Prinzen heiraten, widersetzte sich jedoch dem Willen ihres Vaters. Sie bat Christus um einen Bart, um damit an Attraktivität zu verlieren. Ihr wütender Vater ließ sie daraufhin kreuzigen. Als später ein armer Spielmann vor ihrem Bild niederkniete und andächtig Geige spielte, warf sie ihm ihren goldenen Schuh zu.
Eine ungewöhnliche Darstellung
Zur Entstehung des Bildnisses der hl. Kümmernis gibt es, kunsthistorisch betrachtet, eine mögliche Erklärung: Die Legende wird mit einer „Volto Santo“- Darstellung im Dom zu Lucca in Verbindung gebracht. Bei dieser Darstellung aus dem 12. Jahrhundert wird Christus nicht als der Leidende, sondern als der Triumphierende am Kreuz gezeigt: mit Krone und Faltengewand. Diese Art der Darstellung dürfte nördlich der Alpen so ungewöhnlich gewesen sein, dass sie zur Erzählung der gekreuzigten Jungfrau führte. Die kultische Verehrung der hl. Kümmernis wird um 1400 erstmals nachgewiesen. Im Barock erlebte sie eine Blüte mit über 1000 ikonografischen Zeugnissen. Heute ist die Legende der hl. Kümmernis im deutschsprachigen Raum nur noch in Schlesien, Bayern und Österreich verbreitet und erfährt nun – angeregt durch Tom Neuwirth alias Conchita Wurst – eine kleine mediale Auffrischung.