Juli 2014: Einen Monat nach dem Attentat von Sarajewo auf das Thronfolgerpaar erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg –
und löste damit eine „Kettenreaktion“ aus, die in kurzer Zeit Europa zum Kriegsgebiet machte. Ein dunkles Kapitel – nicht nur für die Politik, sondern auch für die Kirchen.
Fürsterzbischof Dr. Balthasar Kaltner, der am 5. Juli 1914 den Salzburger Bischofsstuhl bestiegen hatte, schreibt in seinem ersten Hirtenbrief vom 1. August 1914 nach Ausbruch des Krieges, dass er sich schon seit vielen Jahren „in das Luftschifflein der göttlichen Vorsehung gesetzt“ habe und sich dem „göttlichen Steuermann“ überlasse. Angesichts des Krieges ruft er aus: „Verdemütiget Euch unter die gewaltige Hand Gottes … Wäre die Menschheit nicht ein sündiges Geschlecht, so gäbe es keinen Krieg.“ Zur Kriegsursache erklärt er: Die „Friedensjahre haben viele lau und irreligiös gemacht, … die Gefahr der Verweltlichung, des Genußlebens und der Verfall des Volkes … wurde damit immer größer. Nun hat Gott den Krieg zugelassen, er rüttelt uns auf …“ Im Fastenhirtenbrief vom 2. Februar 1915 über den Krieg bemerkt er: „Unverdient ist diese furchtbare Heimsuchung nicht, denn die Völker haben gesündigt, schwer gesündigt. Niemand klage gegen Gott, der die Sünden der Welt durch die Folgen der Sünde straft … Der Krieg ist ein Strafgericht für alle Völker.“
Strafe Gottes
Emotionaler formuliert der Linzer Bischof, Rudolf Hittmair, am 29. Juli 1914: Mit „jubelnder Begeisterung hat ganz Oesterreich erfüllt das entscheidende Wort: es ist Krieg! Und dieses in Kriegsbegeisterung aufjauchzende Oesterreich: Kaiser! das ist Dein erster Sieg in diesem Krieg. Alle Völker und Nationen, alle Stände, alle Eins, alle geeint zu flammender Hingebung von Gut und Blut fürs Vaterland: Oesterreich! das ist dein Kriegstriumph … Aber es genügt nicht, daß der große Augenblick uns begeistere. Die große Zeit des höchsten blutigen Ernstes muß uns wahrhaft groß machen, sie muß uns heiligen.“ Deutlich wird auch der Brixener bzw. Tiroler Fürstbischof Franziskus Egger. In seinen Fastenhirtenbriefen von 1915 und 1916 schreibt er: „Das heutige Europa hat Gott zu schwerem Zorn gereizt“, so dass Gott nun „die Geißel schwingt und wuchtige Hiebe auf die Völker niedersausen läßt.“ Vor allem die Genusssucht, die Unkeuschheit, die Habsucht und die Frauenmode hätten den Zorn Gottes hervorgerufen. Alle religiösen Subjekte, Symbole und Handlungen werden von den Bischöfen zugunsten der Habsburgermonarchie mobilisiert: Gott, die Trinität, die Herz-Jesu-Verehrung, Maria, die Heiligen, Andachten, Gebete, der Rosenkranz, die Kirchenglocken usw. Alle religiöse Energie wird in den Krieg geworfen.
Keine Korrektur der Kriegstheologie
Von den österreichischen Bischöfen wird eine uns heute fremde Kriegstheologie formuliert. Sie kommt wie aus einer anderen Religion. Selbst als der „gerechte Krieg“ trotz der verkündeten Parteilichkeit Gottes zugunsten der Habsburgermonarchie verloren war, kam es zu keiner Korrektur der Kriegstheologie. Eine Aufarbeitung dieser kriegstreibenden Hirtenbriefe fand niemals statt. In die Nervenbahnen des Katholischen ist die bischöfliche Verkündigung eingedrungen und trug dazu bei, dass bis heute Vorsicht und Vorbehalt gegen die Kirche anhalten und so die befreiende Jesus-Religion behindern.
Der Krieg und die Kirche, Serie: Teil 1 von 5 Dr. Wilhelm Achleitner Direktor Bildungshaus Schloss Puchberg Buchtipp: Wilhelm Achleitner: Gott im Krieg. Die Theologie der österreichischen Bischöfe in den Hirtenbriefen zum Ersten Weltkrieg, Böhlau-Verlag Wien/Köln/Weimar 1997, 509 Seiten