Oft sind Urlaubreisen in ärmere Länder der Auslöser dafür, dass engagierte Menschen Projekte in Eigenregie starten. Christina Lindorfer spricht die Probleme an, die dabei auftauchen können. Besonders die Nachhaltigkeit von Projekten ist schwer zu erreichen, weiß die Projektmanagerin von „SEI SO FREI“.
Ausgabe: 32/2014, projekte, sei so frei, im gespräch, christina lindorfer
05.08.2014
- Interview: Paul Stütz
Menschen kommen aus dem Urlaub zurück, haben Not gesehen und gründen als Reaktion kleine Projekte. Wie häufig kommt es vor, dass Hilfe in Eigenregie organisiert wird? Christina Lindorfer: Schon relativ häufig und das ist grundsätzlich positiv. Beeindruckend ist die Solidarität, die man erlebt in den Pfarren und Schulen. Es ist toll, was man alles bewirken kann bei den Menschen. Aber es ist eben wichtig, klar zu überlegen, ob man ein Projekt längerfristig betreuen kann.
Worauf muss man aufpassen, wenn man selbst initiativ wird? Lindorfer: Die Schwierigkeit ist die Nachhaltigkeit, ob man wirklich was verändert. Bei der Armut steckt immer System dahinter, es ist wichtig, nicht nur punktuell zu helfen. Man braucht auch die Partner vor Ort, die die Struktur in einem Land kennen. Wenn wir von „SEI SO FREI“ einsteigen, wissen wir, dass wir zehn Jahre oder länger engagiert sind.
Wie geht es Ihnen selbst, wenn Sie bei Projektreisen in Afrika oder Südamerika die Not sehen? Lindorfer: Mir geht es bei diesen Reisen oft so, dass ich mir denke, um Gottes willen, da gibt es eine so große Armut und mit einem kleinen Beitrag, den ich mir ja leisten kann, könnte ich etwas bewegen.
Was ist daran gefährlich? Lindorfer: Da verlässt man sich zu sehr auf die Emotion und es ist wichtig, das beiseitezulassen und zu überlegen: Was bewirke ich wirklich? Wenn ich zum Beispiel einer Person einen Rollstuhl schenke, löst das möglicherweise Eifersüchteleien in einem Dorf aus. Wenn ich die Kultur nicht kenne, kann ich vielleicht mit einem Projekt mehr kaputt machen. Es ist wichtig zu schauen: Wie geht es weiter, habe ich einen guten Partner vor Ort, der das umsetzen kann, wie schaut es mit dem laufenden Kosten aus, zum Beispiel den Lehrergehältern in einer Schule?
Wie soll man vorgehen, wenn man selbst Hilfe in einem armen Land organisieren will? Lindorfer: Sich an eine größere Organisation wenden hat den Vorteil, dass da viel Know-how dahintersteckt. Wird man selbst tätig, ist es auf jeden Fall wichtig, sich auch andere Erfahrungen und Meinungen einzuholen.
Bei kleineren Projekten wird manchmal betont, dass sämtliche Spenden den Leuten vor Ort direkt zu 100 Prozent zugute kommen. Lindorfer: Die 100 Prozent gehen nur dann, wenn man das ehrenamtlich macht. Das ist eine große Verantwortung. Das horcht sich gut an, kann auf Dauer aber schwierig werden.
Es braucht einen gewissen Verwaltungsaufwand? Lindorfer: Es ist einfach viel Zeit, die man investiert. Es ist leichter, wenn ich jemand habe, der das fix betreut, und den muss ich natürlich abgelten. Selbstverständlich wird man immer darauf schauen, die Verwaltungsausgaben niedrig zu halten.