Der Theologische Preis der „Salzburger Hochschulwochen“ ging heuer an das Brüderpaar Christoph und Michael Theobald. Am 30. Juli wurde den in Tübingen und Paris lehrenden Theologen der mit 5000 Euro dotierte Preis zur Würdigung ihres theologischen Gesamtwerkes in der Großen Aula der Universität Salzburg überreicht.
Ausgabe: 32/2014, salzburger hochschulwochen, christoph theobald, michael theobald
Der Jesuit Christoph Theobald wurde 1946 in Köln geboren und studierte katholische Theologie in Bonn und Paris. 1978 trat er dem Jesuitenorden bei. Er gilt als einer der führenden Theologen Frankreichs mit den Schwerpunkten Geschichte der Exegese und Dogmengeschichte, Christologie und Phänomenologie. Sein Bruder Michael Theobald, geboren 1948 in Köln, studierte katholische Theologie in Bonn und Münster. Seit 1989 ist er Professor für Neues Testament an der Universität Tübingen. Er hat seit 2009 den Vorsitz des Katholischen Bibelwerks in Stuttgart inne.
Eintreten für Anliegen des Konzils
Der deutsche Theologe und frühere Leiter des Cusanuswerks, Josef Wohlmuth, würdigte das Brüderpaar in seiner Laudatio für deren entschiedenes Eintreten für die Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils. In ihren je unterschiedlichen theologischen Arbeitsbereichen sei es ihr gemeinsames, verbindendes Anliegen, „die christliche Botschaft rational zu durchdringen und in den Lebenswelten von heute zu implementieren“.
Übergreifende Gastfreundschaft
In ihren Dankesreden gingen die Brüder u. a. auf das Thema der Hochschulwochen „Europa – Entgrenzungen“ ein. Dabei rief Christoph Theobald dazu auf, ein „neues Verhältnis zu unseren Grenzen“ zu entwickeln, das nicht von Ausgrenzungen, sondern von der Idee übergreifender europäischer Gastfreundschaft getragen sei. Dieser letztlich urbiblische Begriff der Gastfreundschaft helfe, so Christoph Theobald, „auf den Begriff des christlichen Abendlandes zu verzichten und das Christliche im entchristlichten Europa zu denken“.
Kontext-sensible Übersetzungen
Der Exeget Michael Theobald wiederum unterstrich die Bedeutung kontextsensibler Übersetzungen der biblischen Überlieferung. Schließlich sei Jesus „kein Gesetzeslehrer, sondern eschatologischer Prophet“ gewesen. Die „Vielstimmigkeit der Gotteserfahrung“ dürfe „nicht in ein widerspruchfreies Konzept überführt werden“. Eine solche Klarstellung habe durchaus auch Folgen etwa für das heute breit diskutierte Thema des kirchlichen Eheverständnisses: Jesus habe „kein ontologisches Eheverständnis“ gekannt, so Theobald, vielmehr sei die Paulinische Übersetzung der Lehre Jesu in Form der Entwicklung einer je individuellen, auf die jeweiligen Nöte der Menschen eingehende Scheidungspraxis, durchaus von der biblischen Tradition gedeckt.
Bisherige Preisträger
Der Theologische Preis der Hochschulwochen wird seit 2006 vergeben. Unter den Trägern früherer Auszeichnungen sind der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper, der katholische Fundamentaltheologe Johann Baptist Metz, der evangelische Kirchenhistoriker Christoph Markschies, der Religionssoziologe Jose Casanova und der Erzbischof von Chieti-Vasto in Italien, Bruno Forte. Erzbischof Forte, der in Tübingen studierte und über Rahner gearbeitet hat, ist u. a. theologischer Sekretär der im Oktober tagenden römischen Sonderbischofssynode zu Ehe – Familie.
„Europa – Entgrenzungen“
Die „Salzburger Hochschulwochen“ (28. Juli bis 3. August) standen heuer unter dem Titel „Europa – Entgrenzungen“. Vortragende waren u. a. die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak, der Islamwissenschaftler Nicolai Sinai, die Politologin Sonja Puntscher-Riekmann (siehe Randspalte) und der Religionssoziologe Karl Gabriel. Den Abschluss der Hochschulwochen bildeten ein Festgottesdienst mit Erzbischof Franz Lackner am 3. August im Salzburger Dom und der anschließende Festvortrag des früheren tschechischen Außenministers Karel Schwarzenberg.
Zur Sache
Für eine neue Verfassung in Europa
Mit einem Plädoyer für eine neue europäische Verfassung hat die Politikwissenschaftlerin Sonja Puntscher-Riekmann bei den „Salzburger Hochschulwochen“ aufhorchen lassen. Die gegenwärtige europäische Krise liege weniger in einem „Mangel an kulturellen und normativen Gemeinsamkeiten“, sondern vielmehr in der „Asymmetrie der Wirtschafts- und Währungsunion“, sagt die Wissenschaftlerin. Anstelle der Weiterentwicklung der Union als Friedensprojekt würden „nationale Souveränitätsbekundungen“ forciert. Dagegen helfe nur ein „neuer verfassungsgebender Akt“, der auf eine Sozialunion inklusive einer zentralen Spar- und Steuerpolitik abzielen müsste. Ein solcher sei weiters notwendig, da die gegenwärtigen politischen Krisen die EU zwingen würden, mit einer Stimme zu sprechen. Diese Stimme gebe es derzeit jedoch gar nicht, sagt die Politologin. Europa sei geprägt von der Spannung zwischen unterschiedlichen nationalstaatlichen Ordnungen und den EU-Strukturen.
Unterstrichen wurde die Forderung nach einem neuen Anlauf zur Vertiefung Europas als Friedensprojekt von der Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak. Ein solcher Prozess könne jedoch nicht von oben dekretiert verlaufen, sondern müsse von den Bürgern selbst getragen werden. Die viel beschworene europäische Identität müsse dabei stärker als bisher als dynamischer Begriff verstanden werden.