Wer sich im eigenen Gesicht gern wiederfindet, hat das eigene Leben schon gut angenommen. Leitartikel von Christine Grüll.
Ausgabe: 33/2014, Leitartikel
12.08.2014
- Christine Grüll
Unser Gesicht ist in Bewegung. Bis zu 34 Muskeln sind dafür zuständig. Da gibt es den Oberlidheber und den Augenbrauenrunzler, den Unterlippenherabzieher und den Schmollmuskel (musculus mentalis). Sie alle bewegen sich ständig, im besten Fall ein Leben lang. Und sie hinterlassen Spuren. Von der tiefen Stirnfalte über feine Netze an den Augen bis zu zwei senkrechten Falten an Nase und Mundwinkeln – wie eine Landkarte erzählen sie von den Gefühlen, die wir durchlebt haben.
Ich möchte ein Leben führen, das mir ein gutes Gesicht gibt, sagte einmal eine Frau, und zog von der Schweiz nach Irland. Sie mochte Irland. Hier wollte sie alt werden. Ein gutes Gesicht wollte die Frau, kein schönes. Flecken und Falten wollte sie nicht vermeiden. Sie wollte solche, die von einem beschaulicheren Leben erzählen als jenem, das sie in der Schweiz geführt hatte.
Ein gutes Gesicht ist individuell. In dem einen kommt der Augenbrauenrunzler öfter zum Einsatz, im anderen der Oberlippenheber. Wer sich im eigenen Gesicht gern wiederfindet, hat das eigene Leben schon gut angenommen.