Der Nahe Osten hat sich seit vielen Jahren zu einem für Christen weitgehend unbewohnbaren Raum entwickelt. Kommentar von Heinz Liederleitner.
Ausgabe: 33/2014, Kommentar, Irak, IS
12.08.2014
- Heinz Niederleitner
Hunderttausende Christen sind auf der Flucht vor den IS-Terroristen im Irak. Die westliche Welt reagiert aufgeschreckt; letztlich ist die traurige Wahrheit aber die, dass sich der Nahe Osten seit vielen Jahren zu einem für Christen weitgehend unbewohnbaren Raum entwickelt. Abwanderung war und ist die logische Folge.
Der IS-Terror hat diesen Prozess im Irak nun blutig auf die Spitze getrieben. Das wirft auch für den Westen unangenehme Fragen auf: Wie groß ist die oft beschworene Solidarität mit den Christen im Nahen Osten wirklich? Ist es angesichts des Risikos verantwortbar, auf einen Verbleib von Christen in Ländern wie dem Irak hinzuarbeiten? Wäre es nicht angebrachter, den Verfolgten Flucht und Asyl hier bei uns großzügig zu erleichtern? Wir können von den Christen im Nahen Osten schließlich nicht verlangen, Märtyrer zu werden. Dabei müsste es für Christen auch klar sein, dass christliche Solidarität nicht nur den verfolgten Glaubensgeschwistern gehören darf. Gerade das Schicksal der Jesiden im Irak, die von den IS-Terroristen brutal dahingemetzelt werden, erinnert daran: Es geht keinesfalls um exklusiv christliches Leid. Neben Christen, Jesiden und anderen Minderheiten leiden auch moderate und moderne Muslime unter den Extremisten – von der Lage der Frauen in den IS-beherrschten Gebieten ganz zu schweigen.
Wie geht es weiter? Man wird dem IS-Terrorismus leider nicht ohne militärische Gewalt beikommen können. Das ist, so zynisch und kalt das klingt, der Fluch der bösen Tat, nämlich des zweiten Irakkriegs. Erst wenn die Terroristen überwunden sind, kann man über die Zukunft des Irak reden – und ob dort auch Christen leben werden.