Bei Ausflügen war in meiner Familie das „richtige“ Wetter besonders wichtig: Wandern im Regen? Auf keinen Fall! So manches Gipfelerlebnis fiel im letzten Moment leider „ins Wasser“. Deshalb sind meine Kindheitserinnerungen zwar nicht zahlreich, aber dafür ohne einen einzigen Regenschauer. Von dieser Einstellung war ich so geprägt, dass ich – obwohl ich das Wandern liebe – auch später im Zweifelsfall eher zu Hause blieb. Im Juli war ich jedoch in Kärnten Weitwandern. Sieben Tage Wind, Regen, Nebel und Kälte – man konnte die Sonnenminuten zählen. Es war ... herrlich! Schnell wurde mir klar, wie viel Naturschönheit ich bisher verpasst hatte: In der Stille des Waldes ist nur das sanfte Trommeln des Regens zu hören. Die Pflanzen glänzen saftig grün und von den Blättern perlen die Tropfen. Durch das gedämpfte Licht verlieren die Sinneseindrücke ihre Schärfe. Es wird einfacher, sich ganz auf den Rhythmus des Gehens einzulassen. Neben diesen Erinnerungen gewann ich durch das verregnete Wandern eine neue Erkenntnis: Viele Situationen sind nicht per se „gut“ oder „schlecht“, sondern werden unterschiedlich wahrgenommen. Wenn ich den Mut habe, mich einzulassen, kann das, was so unangenehm erschien, unverhofft eine wahre Bereicherung werden.