Maschinen begleiten unser Leben. Manche fürchten, dass sie in naher Zukunft zu sehr in unser Leben eingreifen. Es gibt Maschinen, die tun das schon jetzt. Ein Unter Uns von Christine Grüll.
Ausgabe: 2014/39, Fahrkartenautomat
24.09.2014
- Christine Grüll
Ich habe einen guten Bekannten. Wir sehen uns fast täglich. Scheinbar ruhig nimmt er meinen Morgengruß an. Doch erst, wenn ich ihn mit Geldscheinen füttere, kommt seine wahre Laune zum Vorschein. Der ÖBB-Fahrkartenautomat, den ich meine, nimmt eigentlich kleine Scheine an. Nur meine nicht. Auch wenn ich sie unzerknittert und ohne Eselsohr in seinen Geldschlitz stecke, muss er sie zuerst wieder ausspucken. Sein grantelnder Widerstand ist Teil unserer Beziehung. Größere Euro-Scheine nimmt er aus Prinzip nicht an. Er ist kein Freund der großen Währung. Umso erstaunter war ich, als er den Haufen zehn Cent-Münzen, mit dem ich ihn zuletzt gefüttert habe, unter Getöse wieder ausgespuckt hat. Beim zweiten Anlauf habe ich ihm mehr Zeit gelassen, die Münzen zu schlucken. Er hat es mir mit einer Fahrkarte gedankt. Den Zug habe ich gerade noch erwischt.
Mein ÖBB-Fahrkartenautomat braucht geduldige Zuwendung. Damit greift er einschneidend in mein Leben ein. Er hat mich dazu gebracht, morgens etwas früher aufzustehen.