Glaube ja – Kirche nein: Nicht wenige Zeitgenossen, die der Kirche den Rücken gekehrt haben, argumentieren: „An Gott glauben kann ich auch ohne Kirche.“
Nur: Gäbe es einen Glauben ohne Kirche? Glaubensserie von Heinz Niederleitner, Teil 2 von 3
Ausgabe: 2014/46, Glaube, Kirche
11.11.2014 - Heinz Niederleitner
Es war ein Pfarrer, der sich ärgerte: Jedes Mal, wenn es bei der Messfeier zum Glaubensbekenntnis kam, musste er alleine anfangen: „Ich glaube an Gott, den Vater ...“ Und erst nach und nach setzte die Gemeinde ein. Schließlich machte der Pfarrer seinem Ärger Luft und bat die Gemeinde, das Glaubensbekenntnis doch mit ihm gemeinsam zu beginnen. So wurde es mir erzählt. Wenn es nicht wahr ist, so ist es gut erfunden. Denn das Glaubensbekenntnis, gerade auch der Anfang, wird aus guten Gründen gemeinsam gesprochen und das Große Glaubensbekenntnis beginnt im Unterschied zum Apostolischen sogar mit „Wir glauben“. So sehr der Glaube eine Entscheidung des Einzelnen ist, so wenig kann man allein glauben. Der Grund dafür ist einfach: Von wem wissen wir etwas über den Glauben? Von anderen Menschen: Eltern, Religionslehrer, Freunde, Seelsorger, aber auch Autoren religiöser Bücher: von ihnen haben wir den Glauben. Ich wäre als Kind kaum von selbst auf die Idee gekommen zu beten, hätten es mich nicht meine Eltern gelehrt.
Wie ein Staffellauf des Glaubens
Sie und all die anderen genannten Personen handeln, wenn sie den christlichen Glauben weitergeben, als Glieder der Kirche. Selbst die Bibel wäre ohne Glaubensgemeinschaft nicht denkbar: Wer hätte die Glaubenserfahrung des Judentums und des Christentums aufgeschrieben, wer weitergegeben, wenn es keine Gemeinschaft gegeben hätte? Diese Gemeinschaft zeigt sich auch in den Worten Jesu: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Der Herr spricht uns als Gruppe an und das Sakrament der Eucharistie, das Brotbrechen, ist auf Gemeinschaft ausgerichtet. Und was für die Vergangenheit und Gegenwart gilt, stimmt auch beim Blick in die Zukunft: Die Hoffnung des biblischen Glaubens ist eine selige Gemeinschaft im Ewigen Leben. Es ist keine Gemeinschaft allein von Menschen, sondern mit Gott. Auch die biblischen Bilder dafür – Hochzeitsmahl, Haus des Vaters, himmlisches Jerusalem – verkünden Gemeinschaft. Von einer Art „Privathimmel“ für jeden einzelnen ist da nichts zu hören. Gemeinschaft steht also nicht nur am Anfang des Glaubens, sondern auch an seinem Ende.Dass der Glaube von einer Gemeinschaft weitergegeben wird, hat einen wichtigen Effekt: Ein rein privater Glaube droht schnell, sich dem Wunschdenken des Menschen zu beugen. Ist er zu lasch, ohne Herausforderung, der man sich stellen muss? Ist er zu streng, sodass die Frohe Botschaft nicht mehr sichtbar ist? Es ist Aufgabe der Kirche, den Glauben unverändert weiterzugeben – vergleichbar einem Staffellauf durch die Zeit: Eine Generation reicht den Glauben an die nächste weiter. Und untereinander ist es Aufgabe der Christen, sich im Glauben zu stärken.
Den Glauben ins Heute übersetzen
Gleichzeitig muss der Glaube immer ins Heute übersetzt, müssen aus dem Glauben Antworten auf die Zeichen der Zeit gegeben werden. Dass dieser Spagat zwischen unverfälschter Weitergabe und Antworten für das Heute schwierig ist, konnten wir zuletzt zum Beispiel bei der Familiensynode in Rom erleben. Dass Menschen in der Kirche auch katastrophal falsche Mittel angewandt haben, um den ursprünglichen Glauben zu bewahren, zeigt ein Blick in die Kirchengeschichte. Nur ist das nicht dem Glauben anzulasten.
Die Kirche ringt immer schon um Einigkeit
Wie jede Gemeinschaft mit Menschen ringt auch die Kirche um Einigkeit, schon zur Zeit der frühen Gemeinden: „Ertragt einander in Liebe und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“, heißt es im Epheserbrief. Das geriet in der Geschichte oft in den Hintergrund und so steht die Christenheit heute gespalten da. Die katholische Kirche sieht die Kirche Christi in sich verwirklicht an, sagt aber auch, dass es „vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit“ auch außerhalb von ihr gibt. Menschen in anderen christlichen Kirchen werden „als Geschwister, in Verehrung und Liebe“ bezeichnet, wobei die Einheit der Christen das Ziel bleibt. Denn der Staffellauf des Glaubens ist kein Wettbewerb gegeneinander, sondern sollte das gemeinsame Bemühen einer „Mannschaft“ sein, die darauf vertraut, dass Gott mitläuft. Deshalb finde ich es besonders schön, mit Christen anderer Konfessionen gemeinsam das Glaubensbekenntnis zu sprechen.
Glaubensserie von Heinz Niederleitner, Teil 2 von 3