Kurz nachdem die Beurlaubung von Kardinal Pell bekannt wurde, kam am Wochenende die nächste Überraschung aus dem Vatikan: Der Papst verlängerte die Amtszeit des konservativen Kardinals Gerhard Ludwig Müller als Glaubenspräfekt nicht.
War das jetzt eine Strafe, wie es der Regensburger Theologe Wolfgang Beinert in den Raum stellte? Oder geht Papst Franziskus einfach nur dazu über, Amtszeiten im Vatikan nach fünf Jahren auch wirklich auslaufen zu lassen, wie das Müller selbst in einer ersten Reaktion sagte? Da sich der Vatikan einer offiziellen Begründung enthielt, schossen die medialen Spekulationen rasch ins Kraut: Vom „Bruch“ war da die Rede und es hieß: „Der Papst räumt auf“.
Kritik am Papst
Auch bei nüchterner Sichtweise lassen sich Bruchlinien zwischen Müller und dem Papst ausmachen: Der Papst hat etwa vor ein paar Monaten drei Mitarbeiter der Glaubenskongregation entlassen, die Müller jedoch lobte. Beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen unterstützte Papst Franziskus eine liberale Auslegung seines Schreibens „Amoris laetitia“, während Müller das Gegenteil tat. Dass der Glaubenspräfekt vor nicht allzu langer Zeit sinngemäß meinte, es sei seine Aufgabe, dem Pontifikat theologische Struktur zu geben, könnte man auch als Kritik am Papst verstehen.
Dennoch hat Müller stets – und auch jetzt – betont, zwischen ihm und Franziskus gebe es keine Konflikte. Ist es also wirklich so, dass der Papst die bisher schon bestehende, bei Kardinälen aber kaum relevante Fünf-Jahres-Grenze der Amtszeit ernst nehmen will und Müller nur zufällig der erste ist, den das trifft? „Änderungen im Umgang mit den Amtszeiten hat Papst Franziskus schon länger angekündigt. Das betrifft nicht nur die strikte Auslegung der absoluten Altersgrenze von 75 Jahren“, sagt dazu Pater Bernd Hagenkord, Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, gegenüber der Kirchenzeitung. Andererseits ergänzt er: „Kardinal Müller hat sich einige Male sehr deutlich zu Wort gemeldet. Ich kann mir schon vorstellen, dass das dem Papst nicht gepasst hat. Ob das aber der Grund für die Nicht-Verlängerung der Amtszeit war, weiß ich nicht. Ich denke eher, dass da mehrere Überlegungen zusammenkamen.“
Den Zusammenfall mit der Beurlaubung von Kardinal George Pell (siehe rechte Seite) hält Hagenkord für Zufall: „Der Ablauf der Amtszeit von Kardinal Müller ist gegeben und auf die Ermittlungen in Australien gegen Pell hat der Vatikan keinen Einfluss.“ Dass Pell als Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariats ausfällt, ist aber nicht unheikel: „Die Wirtschaftsreform ist eine der tragenden Säulen der Kurienreform von Papst Franziskus“, sagt Pater Hagenkord. „Pell hat das mit der ihm eigenen Energie vorangetrieben. Über die Sommerpause hält es der Vatikan locker aus, dass Pell nicht da ist. Danach wird man sehen müssen, wie es weitergeht.“
Geregelt ist jedenfalls die Nachfolge von Müller in der Glaubenskongregation: Deren bisherigee Sekretär Luis Francisco Ladaria Ferrer übernimmt das Amt des Präfekten. Er ist seit dem legendären (und berüchtigten) Alfredo Ottaviani der erste Glaubenspräfekt, der direkt aus dem Apparat der Behörde kommt. Seine Vorgänger Šeper, Ratzinger, Levada und Müller waren vorher Diözesanbischöfe gewesen. Für Pater Hagenkord liegt der große Vorteil in der Bestellung Ladarias darin, dass dieser „nur das Büro wechseln muss und gleich weiterarbeiten kann, weil er die Akten und die Arbeitsweise kennt. Ladaria ist ein guter, unprätentiöser und sorgfältiger Mann, der von sich selbst sagt, dass er keine Extremismen – weder konservative noch progressive – mag“, sagt P. Hagenkord über seinen jesuitischen Ordensbruder.
Keine Rückkehr nach Regensburg
Kardinal Müller, der mit 69 Jahren als Kardinal eigentlich zu jung fürs Altenteil ist, macht sein Amtszeitende nach eigenem Bekunden „wenig aus“. Er wolle in Rom bleiben, wissenschaftlich arbeiten, in der Seelsorge tätig sein, „die Wahrheit des Evangeliums verkünden und nicht den Leuten nach dem Mund reden“. Damit schließt Müller eine Rückkehr in seine frühere Diözese Regensburg aus. Dort hatte er sich einst mit Kritikern scharfe Konflikte geliefert.
Zur Person
Ein Mann der Mitte
Der Papst hat den bisherigen Sekretär der Glaubenskongregation, Luis Francisco Ladaria Ferrer, an die Spitze der Behörde berufen, nachdem die Amtszeit von Kardinal Ludwig Müller nicht verlängert wird.
Ladaria ist bislang nicht als ausgesprochener Franziskus-Mann in Erscheinung getreten. Er ist jedoch wie der Papst Jesuit und spricht dessen Muttersprache. Der auf Mallorca geborene Geistliche gilt als gemäßigt konservativ. Er selbst sieht sich als Mann der Mitte. In einem Interview sagte er 2008, er liebe keine Extreme – weder progressiver noch traditionalistischer Art. „Ich glaube, dass es da einen Mittelweg gibt, nämlich den, den der Großteil der Theologieprofessoren hier in Rom und die Kirche allgemein eingeschlagen haben“, sagt der neue Präfekt. In der Öffentlichkeit trat Ladaria selten auf.
Wie Müller lehrte er als Professor das Fach Dogmatik, seit 1984 an der Gregoriana in Rom. Studiert hatte Ladaria unter anderem an der Jesuiten-Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt/Main, weswegen er auch Deutsch spricht. Der Spanier leitet die von Franziskus 2016 eingerichtete Kommission zum Frauendiakonat. Das Gremium soll die Rolle von Diakoninnen in der frühen Kirche erforschen.